Pippa Goldschmidt – Weiter als der Himmel

Jeanette ist frisch promovierte Astronomin und macht an einem Teleskop in den chilenischen Anden eine sensationelle Entdeckung, die diversen Gesetzen ihrer Wissenschaft entgegensteht. Sie weiß nicht, ob sie ihre Ergebnisse veröffentlichen soll oder ob sie damit ihrer Karriere schadet. Schließlich tut sie es und hat die gesamte astronomische Welt gegen sich aufgebracht. Sie stürzt in einen Strudel, der schon bald ihr Privatleben mit sich reißt und sie zwischen den Mühlsteinen der Vergangenheit und der Gegenwart zu zermahlen droht. Bilder ihrer Schwester, die unter rätselhaften Umständen in ihrer Kindheit starb, spannen sich vor die Wirklichkeit. Sie sucht den Himmel und die Erde nach ihr ab und verliert sich dabei selbst.

„Weiter als der Himmel“ ist die stille, melancholische Geschichte einer jungen Frau mit vielen Fragen zu eigentlich allem: ihrer als Kind tödlich verunglückten Schwester, dem Universum, Menschen, dem Miteinander. Fragen, auf die sie viel zu selten eine Antwort erhält, weil Beteiligte nicht reden wollen, vergessen wollen oder schlicht ignorant sind. Pippa Goldschmidt erzählt auch von Widerständen, die Frauen in der Astronomie erfahren, einer Wissenschaft, die so sehr von öffentlichen Geldern abhängt und von Männern dominiert wird; kein Wunder, dass die Protagonisitin zweifelt – an ihrer Entdeckung, an einer Veröffentlichung, am Fortkommen ihrer Karriere. Und so ganz nebenbei lernt die Leserin noch ein kleines bisschen über die Entstehung und Entwicklung des Universums.

 

Pippa Goldschmidt, „Weiter als der Himmel“, ISBN 978-3-938803-65-3, übersetzt von Zoe Beck, erschienen im Weidle Verlag.

Flirten mit BRAVO?

In den letzten Tagen hat dieser unsägliche BRAVO-Text (nur noch über Cache verfügbar) im Netz die Runde gemacht; die BRAVO hat ordentlich (und zu Recht) Schelte dafür kassiert und den Artikel inzwischen kommentarlos aus dem Netz entfernt. Warum bloss?

Schon Shakespeare hat in „Hamlet“ die Tändeleien der Frauen kritisiert, und Hamlet ist immerhin über 400 Jahre alt.

Ich weiß auch von euren Malereien Bescheid, recht gut.
Gott hat euch ein Gesicht gegeben, und ihr macht euch ein anders; ihr schlendert, ihr trippelt, und ihr lispelt und gebt Gottes Schöpfung verhunzte Namen und gebt eure Lüsternheit als Einfalt aus. Geht mir, nichts weiter davon, es hat mich toll gemacht.

Eine entsprechende Ohrfeige für die BRAVO hat Frau Meike geschrieben. Können dann bitte alle mal aufhören, junge Frauen/Mädchen zu den Frauenbildern der 50er zurückentwickeln zu wollen, von denen ich dachte, wir hätten uns längst davon verabschiedet?

Alex Berg – Tochter der Angst

Ich wollte das Buch gern lesen, als ich den Klappentext bekam. Gutsituirte Oberärztin bricht aus ihrem Hamburger Leben aus, um für ein Jahr bei „Ärzte ohne Grenzen“ zu arbeiten. Bei den Vorbereitungen in Paris für ihren Auslandseinsatz wird sie in ein Netz aus politischen Intrigen, Waffenhandel und Terroranschlägen verstrickt.

Aktuelle Themen als Roman verpackt, nicht schlecht. Leider hielt meine Euphorie nicht lange an. Man merkt die Journalistin in der Schreibe, Alex Berg verwendet an einigen Stellen unterschiedliche Stilmittel, die für mich den Lesegenuss deutlich gemindert haben. Teilweise entwickelt sich die Geschichte über 3 Seiten rasant, um dann über weitere 30 Seiten gemütlich dahinzuplätschern. Und das Ende gleich des ersten Kapitels a la heftig.co hätte auch nicht sein müssen („Sie ahnte nicht, dass ihre Freude schon bald getrübt sein würde … und in wenigen Tagen der Gedanke an Paris für sie nie wieder so unbeschwert sein würde wie früher.“). Ernsthaft?!

Einige Figuren werden sehr stark herausgestellt, andere verlaufen ohne Grund im Sand, Schicksale und Hintergründe werden zum Teil nicht erklärt. Mir fehlte auch der triftige Grund, warum die Protagonistin den Weg zu Ärzte ohne Grenzen gewählt hatte. Langeweile, Frust, Midlife-Crisis? Und die Sache mit dem Code bleibt auch ungeklärt (und hier finde ich, dass es wichtig gewesen wäre, genau das aufzulösen). Ich mag es ja, wenn ein Buch Fragen aufwirft, aber doch bitte keine Logikfragen!

Ich bin sonst keine langsame Leserin, aber hier brauchte ich fast vier Wochen (erbostes In-die-Ecke-Werfen des Bucheseingerechnet). Am Ende bleibt bei mir ein großes „Hä?“ und ein „Schade, da wäre mehr gegangen.“.

(Diese Rezension ist auch auf der Seite des Verlages erschienen.)

Alex Berg, Tochter der Angst, Verlag Droemer-Knaur, ISBN 978-3-4265-1319-4

LBM15 – Nachklapp 1

Etwa einmal im Jahr überfällt mich eine Sinnkrise und ich überlege, ob da beruflich noch etwas anderes geht außer „was mit Computern“, schliesslich mache ich das auch schon 25 Jahre. Ich stöbere in Anzeigen, schaue mir berufsbegleitende Studiengänge an, überlege mir, was ich sonst noch so machen könnte.

Kurz vor jeder Buchmesse erreiche ich dann den Punkt, an dem ich mir sage „du redest spätestens auf der Messe mal mit ein paar Leuten, die du schon kennst, vielleicht haben die ja eine Idee“. Gelegentlich fahre ich auch durchs Land und besuche die ein oder andere Autor*in, vergesse dann aber, genau diese Fragen zu stellen.

4 Stunden mäandern auf der Leipziger Buchmesse sind sowas von heilsam, dann geht’s auch wieder. Und vielleicht schreibe ich auch irgendwann nochmal ausführlicher drüber.

Oliver Bottini – Der kalte Traum

Zwei fremde Männer streifen durch Rottweil in Schwaben und stellen Fragen nach einem Toten, doch die Antworten sind immer gleich: Thomas Cavar ist 1995 im Jugoslawienkrieg gefallen, seine Leiche in einem der Massengräber verscharrt worden, nur seine Tschapka wurde gefunden.

In Berlin ermittelt Kripokommissar Adamek auf Bitten seines Onkels im Fall Cavar. Als er nach Rottweil reist, liegt ein alter Schulfreund Cavars gefoltert in seiner Scheune.

In Zagreb stellt die Journalistin Yvonne Ahrens Recherchen zu Kriegsverbrechen während des Jugoslawienkrieges an und stößt auf Mauern aus Schweigen und Vergessenwollen, aber auch auf eine Spur.

„Der kalte Traum“ ist ein hochspannender und brisanter Kriminalroman, der mir vor allem eins gezeigt hat: wir wissen viel zu wenig über die Wirren, Ursachen und Verbrechen, die sich während des Jugoslawienkrieges zugetragen haben. Bottinis Buch besticht durch exakte Recherche zu diesem Thema, viele Details und eine düstere Geschichte.

Wer sich für die Hintergründe interessiert: auf der Website des Autors bottini.de gibt es eine beeindruckende Liste von verwendetem Recherchematerial.

Oliver Bottini, Der kalte Traum, Dumont Verlag, ISBN 978-3-8321-6228-3

Charlotte Roth – Als wir unsterblich waren

Alexandra geht am Abend des 9. November 1989 mit ihrer Freundin zur Mauer nach Berlin und erlebt dort unmittelbar die versehentliche Öffnung der Grenze. Oliver, den sie in diesem Taumel kennen- und liebenlernt, bringt sie einige Tage später mit zu ihrer Großmutter, bei der sie im Osten aufgewachsen ist. Bei Olivers Anblick erleidet Alexandras Großmutter einen Herzinfarkt.

In Rückblenden treffen wir auf Paula im Berlin vor dem Ersten Weltkrieg. Sie setzt sich für Frauen- und Arbeiterrechte ein und kämpft Seite an Seite mit dem Studentenführer Clemens. Während Paula versucht, ihre Freunde zu schützen und trotzdem gegen den aufziehenden Krieg und später gegen Nazis und die Verfolgung im Zweiten Weltkrieg kämpft, ändern sich die Ansichten in ihrem Umfeld.

Gelesen habe ich das Buch vergangenes Jahr im Urlaub. Anfangs dachte ich „Great, ein weiterer Wenderoman, den mensch nicht braucht“, weil die Erzählung mit den Erlebnissen einer jungen Frau zur Maueröffnung 1989 beginnt. Doch dann wird abwechselnd erzählt. Die Kämpfe von Paula im Berlin der 10er und 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts, die unterschiedlichen Wege ihrer Freunde und damaligen Kampfgefährten gegen Verfolgung und Gewalt, für Rechte, die für uns heute selbstverständlich sind, fand ich ungeheuer spannend. Dass zwischen den beiden Hauptfrauenfiguren des Buches ein Zusammenhang bestehen musste, war mir zwar klar, aber es dauerte lange, bis ich den begriffen hatte. Als am Ende alles zusammenfindet, saß ich nach der letzten Seite heulend in meiner Strandliege (und ich heule selten bei Büchern!). Absolut lesenswert und bei weitem kein Buch, dass uns zum hundertsten Mal die Wende erklärt.

Charlotte Roth, Als wir unsterblich waren, Verlag Droemer-Knaur, ISBN 978-3-426-51206-7

Sabine Ebert – 1813, Kriegsfeuer

Seit etwa November lese ich an „1813“, weil das Buch bei der Begleitung auf dem Lesestapel lag. Irgendwann nach Weihnachten habe ich es mitgenommen, damit ich daheim zügiger lesen kann. Seit einer Woche bin ich KzH; toll, dachte ich, dann schaffste das Buch in maximal zwei Tagen, du sollst dich ja schonen. Pustekuchen, ich lese immer noch, inzwischen die Nachbemerkungen und das Glossar.

„1813“ ist viel, und manchmal ist es zuviel. Sabine Ebert erzählt vom Frühjahrs- und Herbstfeldzug Napoleons bis hin zur Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober des Jahres 1813. Das Buch ist so dichtgepackt mit Fakten und Fiktion, dass ich manchmal nur maximal fünfzig Seiten am Stück lesen konnte. Namen, Daten, Strategien, Intrigen, Feldzüge, Scharmützel, Schlachten – es muss ein sehr ereignisreiches Jahr gewesen sein. Ebert schreibt über Napoleon als arroganten Feldherrn, der sich für unbesiegbar hielt und Millionen Tote für nebensächlich hält; die Alliierten, deren Uneinigkeit über die kriegerischen Strategien und ihre Eitelkeiten sie fast den Sieg gekostet hätte. Sie erzählt aber auch die Geschichte der sächsischen Bevölkerung, die der Kriege müde ist, die sich Frieden wünscht und endlich wieder ein halbwegs normales Leben führen möchte.

Henriette ist aus Weißenfels geflohen zu ihren Verwandten nach Freiberg; sie hofft, dort vor Verfolgung und dem Krieg einigermaßen sicher zu sein. Noch während sie sich an das Leben bei Tante und Onkel gewöhnt, werden die preußischen Truppen aus der Stadt abgezogen und die Franzosen übernehmen Freiberg. Auch die Familie wird von Einquartierung nicht verschont. Die Köchin der Familie versucht derweil, in Torgau etwas über den Verbleib ihrer vier Söhne zu erfahren, die alle im Russlandfeldzug dabei waren und dort wohl auch gefallen sind.

Die Geschichte Henriettes und ihrer Verwandten und Freunde ist nur ein Erzählstrang in „1813“. Der sächsische General von Thielmann, der die Festung Torgau aufgeben muss und zu den russischen Truppen überläuft; die Gräfin von Kielsmannsegge, die als enge Vertraute und Freundin Napoleons galt und für ihn eifrig spoinierte; Peter von Colomb, der mit seiner Streifschar Napoleon das Leben im Hinterland schwermachte; Oudinot, Prinz Eugen von Württemberg, Friedrich August, König von Sachsen, Zar Alexander, Felix Zeidler, Maximilian Trepte, Vater und Sohn de Trousteau, Marschall Ney, Körner, Hußel – sie alle spielten eine Rolle, damals oder als fiktiver Charakter in Sabine Eberts Buch.

„1813“ ist ein Faktenbuch, gespickt mit ein bisschen Fiktion (und ich weiß, dass ich mit dem Lesen spät dran bin); im Gegensatz zu ihren Hebammen-Romanen spinnt sie hier eine kleine Geschichte um viel Geschichte und das mag ich. Ihr Schreibstil war mir an manchen Stellen ein bisschen zu simpel, andererseits ist das ja keine historische Abhandlung. Lesenswert ist es auf jeden Fall, aber man sollte sich Zeit nehmen, die Fülle an geschichtlichen Fakten auch verdauen zu können.

„1813, Kriegsfeuer“, Sabine Ebert, erschienen im Knaur Verlag, ISBN 978-3-426-65214-5.

 

Sophie Sumburane – Gefährlicher Frühling

„Gefährlicher Frühling“ ist Sophie Sumburanes zweiter Kriminalroman. Im Arabischen Frühling gerät Kalem Ryshad während der Proteste auf dem Tahrir-Platz zwischen die Fronten und dann in die Mühlen der ägyptischen Miliz. Zwei Jahre später wird in Leipzig die Chefin eines Ingenieurbüros ermordet. Bei den Ermittlungen stoßen die Kommissare auf illegale Waffengeschäfte der Firma, deren Spur nach Ägypten führt.

Die 288 Seiten sind ein Pageturner, den ich in anderthalb Tagen verschlungen habe (Reiselektüre). Die Geschichte des Ägypters Ryshad ist so spannend, sie ließ mich aber mit vielen Fragen am Ende zurück. Ist das, was in ägyptischen Gefängnissen passiert ist (oder vielleicht immer noch passiert), wirklich so? Was motiviert Menschen, derart grausam gegen das eigene Volk, vor allem gegenüber Frauen, zu sein? Und finden derartige Waffengeschäfte in den arabischen Raum heute genau so statt wie Sophie Sumburane schreibt? Die Geschichte des arabischen Frühlings warf und wirft bei mir viele Fragen auf. Und da macht es auch nichts, dass der Mordfall in Leipzig ein bisschen zum Nebenschauplatz gerät.

„Gefährlicher Frühling“, Sophie Sumburane, erschienen im Pendragon Verlag, ISBN: 978-3-86532-386-6.

Gary Dexter – Der Marodeur von Oxford

„Du magst doch Sherlock Holmes. Dann wird dir der Marodeur sehr gefallen“, schrieb mir Zoë Beck irgendwann im vergangenen Jahr. Gelesen hatte ich über das Buch schon einiges, jetzt war ich gespannt auf die Geschichten, die Zoë übersetzt hatte.
Im viktorianischen London, 1892, treffen sich Olive Salter und Dr. Henry St Liver in der Gesellschaft des Neuen Lebens und werden kurz darauf mit ihrem ersten Fall konfrontiert. Olive fungiert augenscheinlich zwar als Chronistin der Geschehnisse, trägt aber nicht unerheblich zur Lösung der im Buch beschriebenen Fälle bei. Anders als Holmes und Watson, deren Geschichten in derselben Epoche spielen, lösen Salter und St Liver hier mysteriöse und zum Teil abgründige Fälle aus der „Psychopathia sexualis“.
Ich mag die Geschichten. Was für uns heute als selbstverständlich abrufbar über YouTube und andere Medien gilt, wird mit der schüchternen Zurückhaltung der damaligen Zeit beschrieben, denn über sexuelle Abschweifungen und spezielle Vorlieben wurde nicht offen gesprochen. Für Salter und St Liver sind diese Dinge selbstverständlich (offenbar kann sie rein gar nichts schockieren), diejenigen, die sich an sie mit ihren „Problemen“ wenden, halten sich für krank, wahnsinnig, widersinnig.
Sehr angenehm zu lesen war für mich, dass die Geschichten ohne Überheblichkeit zwischen den beiden „Partnern in crime“ auskommen. St Liver behandelt Salter nie von oben herab, sieht sie vermutlich als gleichberechtigte Partnerin an, was zur damaligen Zeit nicht gerade üblich war (merkt man manchmal am Verhalten der Klienten in den Geschichten). Dagegen stieß mir Holmes‘ Arroganz gegenüber Watson und den Ermittlern schon immer sehr seltsam auf; auch Gatiss und vor allem Moffat haben bei der Umsetzung zur Serie „Sherlock“ ausgerechnet diesen Aspekt nie in die Neuzeit adaptiert.
Der „Marodeur“ ist kurzweiliges Lesevergnügen (acht abgeschlossene Kurzgeschichten) und eigentlich möchte ich jetzt gern noch mehr Fälle von St Liver und Salter lesen. Geht da noch mehr, Mr Dexter?

Hal Vaughan – Coco Chanel: Der schwarze Engel

Die Geschichte von Coco Chanels Aufstieg, von ihrem Leben im besetzten Paris und vor allem von ihrer Liaison mit dem deutschen Baron von Dincklage, einem Sonderbeauftragten des Reichspropagandaministeriums. Der Autor recherchierte bisher unbekanntes Material, das zeigt, wie sehr Coco Chanel mit der Nazi-Besatzungsmacht verstrickt war.

Hm. Coco Chanel als Nazi-Agentin, klingt interessant, das nehme ich mit. So mein Gedanke beim Kauf des Buches vor ein paar Monaten. Der Untertitel „Ein Leben als Nazi-Agentin“ hatte mich. Chanel war für mich immer eine faszinierende Person, was lag näher, endlich mal etwas mehr über sie zu lesen. Ich habe schon einige Verfilmungen ihres Lebens gesehen, aber diese decken ja bei weitem nicht alles ab.

Vaughan beginnt am Anfang; er schreibt über ihre Geschwister, ihre früh verstorbene Mutter, Chanels Aufwachsen im Waisenhaus eines Klosters. Er findet erste Ansätze für Antisemitismus, später wird auch klar, wie fanatisch Chanel Juden gehasst haben muss (ich vermute, es sind Auswirkungen der westeuropäischen Propagandamaschinerie zu Beginn des 20. Jahrhunderts). Es geht weiter zu ihren Anfängen in Paris, ihre ersten Affären und ersten „Sponsoren“, die ihr letztlich den Aufbau ihres gigantischen Imperiums ermöglichten. Chanel verstand es, geschickt diese Leute für sich einzunehmen, von ihren Ideen zu überzeugen und so die ersten Grundsteine für ihren Reichtum zu legen. Zentrale Figuren in diesem Spiel waren Boy Chapel, Etienne Balsan und später Hans Günther von Dincklage, der auch eine zentrale Rolle für die Nazis spielte. Chanel wird als clevere und geschäftstüchtige Frau beschrieben, die es verstanden hat, in einer doch noch sehr männerdominierten Welt zu einer Ikone für Mode, Reichtum und Macht zu werden.

An dieser Stelle habe ich ein Problem mit dem Buch: Chanels Leben und ihre Entwicklung spielt eigentlich kaum eine Rolle und verkommt, je weiter man sich einliest, zu einem Nebenschauplatz. Über viele Seiten hinweg wird mehr über Chapel, Churchill, Dincklage und sein Spionagenetz geschrieben als über Chanels Beteiligung an Spionageaktionen.

Ich habe auf Seite 194 das Buch erst einmal beiseitegelegt. Irgendwann hatte ich beim Umblättern nur noch die Frage im Kopf „Und was genau hat Chanel jetzt für die Nazis spioniert? Und vor allem – warum?“, während weitere Details aus Dincklages Aktivitäten beschrieben wurden. Für mich passte irgendwann auch nicht mehr Chanels Flucht aus Paris, als die Nazis die Stadt besetzt hatten und ihre Macht mit Aufmärschen demonstrierten. Spioniert ein Flüchtling vor den Nazis für die Nazis?

Ich lese jetzt erst einmal „2/14“, das mir der freundliche Geist bei diaphanes vor kurzem geschickt hat. Ob ich Vaughans Buch noch einmal zu Ende lese, steht gerade in den Sternen.