Weggelegt

Ich habe in den vergangenen Monaten immer mal wieder Bücher gekauft oder von Verlagen erhalten, die ich angefangen habe, weil der Klappentext spannend/ interessant klang oder weil ich mich für das Thema interessiere. Manche Bücher konnte ich gut lesen, andere musste ich weglegen, weil es für mich einfach nicht funktionierte. Die Gründe schreibe ich zu den Titeln dazu.

Martin Michaud – Aus dem Schatten des Vergessens (Hoffmann und Campe)
Hochgelobter kanadischer Thriller, in dem ein Ermittler mit Partnerin einer brutalen Mordserie auf der Spur sind. Nach knapp 300 Seiten habe ich aufgegeben. Die Morde sind brutal, detailliert beschrieben, leider nimmt die Geschichte auch da noch nicht Fahrt auf. Weggelegt.

Friedrich von Borries – 1WTC (suhrkamp nova)
4 junge Menschen kämpfen gegen allgegenwärtige Überwachung, in New York entsteht ein neues World Trade Center. Was zunächst wie eine spannende Geschichte mit realem Bezug klingt, nimmt nach kurzer Zeit schon immer mehr Züge eines Kunstprojekts an. Und das wollte ich dann doch nicht lesen. Weggelegt.

Jana Thiem – Humboldt & Der Weiße Tod (Oberlausitzer Verlag)
Mit diesem Buch hatte ich ein ähnliches Problem wie mit Michauds Roman: es fehlt der Drive. Als dann noch jemand im Buch „aus dem Sofa springt“ anstatt vom Sofa, war ich raus, denn das war nicht der einzige sprachliche Fauxpas. Weg damit.

[Rezension] Max Annas – Die Mauer

Klappentext: Moses möchte nur eins: Nach Hause. Raus aus der sengenden Hitze, raus aus dem verlassenen Vorort, in dem gerade sein alter Toyota liegen geblieben ist. Zu Freundin Sandi und einem kühlen Bier. Aber die Straßen sind wie leergefegt, niemand ist in Sicht. Moses hofft, in der nahe gelegenen Gated Community Hilfe zu finden. Dort, in der Welt der Weißen, ist schließlich alles geregelt. Doch: Dort drinnen ist er erst recht ein Außenseiter. Und er begeht einen Fehler … Zur selben Zeit sind auch Nozipho und Thembi innerhalb der Mauern unterwegs, sie verdienen ihren Unterhalt mit Diebstählen. Was sie nicht wissen: Ausgerechnet in dem Haus, in dem sie Beute zu machen hoffen, wurde gerade erst ein weit größeres Verbrechen verübt.

Max Annas‘ Buch liest sich wie ein Roadmovie auf Speed. Moses läuft durch die Gated Community, verläuft sich, rennt weiter, trifft auf die selbsternannte Bürgerwehr, geht dem Wachschutz aus dem Weg. Eigentlich sucht Moses Hilfe, hofft auf einen Bekannten, der dort wohnt, aber er trifft niemanden an. Stattdessen wird er zum Gejagten, denn die Weißen in Südafrika sind immer noch Rassisten und halten sich für etwas besseres.
Am Ende schaffen es alle aus der Gated Community, auf die eine oder andere Weise. Ich brauchte nach dem Lesen des Buches erstmal was zum Runterkommen. Toll erzählt!

Max Annas „Die Mauer“, erschienen beim Rowohlt Verlag

[Rezension] Rebecca Gablé – Teufelskrone

Klappentext: England 1193: Als der junge Yvain of Waringham in den Dienst von John Plantagenet tritt, ahnt er nicht, was sie verbindet: Beide stehen in Schatten ihrer ruhmreichen älteren Brüder. Doch während Yvain und Guillaume of Waringham mehr als die Liebe zur selben Frau gemeinsam haben, stehen die Brüder John Plantagenet und Richard Löwenherz auf verschiedenen Seiten – auch dann noch, als John nach Richards Tod die Krone erbt. Denn Richards Schatten scheint so groß, dass er John schon bald zum Fluch zu werden droht …

Knappe tausend Seiten, voll gepackt mit Geschichte englischer und französischer Königshäuser des 12. Jahrhunderts, und doch schafft es die Autorin wieder einmal, dass sich das alles nicht wie trockener Geschichtsunterricht liest, aber auch nie ins Triviale abgleitet. Zeitlich vor „Das Lächeln der Fortuna“ spielend, ist Rebecca Gablé mit „Teufelskrone“ ein weiterer spannender und sehr lesenswerter Roman in der Waringham-Saga gelungen.

PS: Ich werde dringend alle anderen Bücher von ihr noch einmal lesen müssen.

Rebecca Gablè, Teufelskrone, erschienen bei Bastei Lübbe 2019

[Rezension] André Georgi – Die letzte Terroristin

Klappentext:

Eine Frau in den Fängen des Terrorismus, unterwegs in einer waghalsigen Mission. Ihr Zielobjekt: einer der meistgehassten Männer der wiedervereinigten Republik. Ihr Gegenspieler: ein unter Druck geratener BKA-Ermittler. In die Enge getrieben, steht sie plötzlich vor einer Entscheidung, die nicht nur ihr eigenes Leben verändern wird.

Treuhandchef Dahlmann muss die Staatsbetriebe der ehemaligen DDR in die Privatwirtschaft überführen und ist der meistgefährdete Mann nach der Wende: Verhasst im Osten, im Konflikt mit westdeutschen und internationalen Unternehmen, potenzielles Zielobjekt der RAF. BKA-Mann Kawert ist der jüngsten Generation der Terrorgruppe auf der Spur. Hinweise verdichten sich, dass ein Attentat auf Dahlmann bevorsteht. Und eine Frau rückt in den besonderen Fokus des Ermittlers.

Wer sich wie ich etwas intensiver mit der RAF und ihren Taten beschäftigt hat, findet sich bei Georgis Roman in die letzten aktiven Jahre der dritten Generation der RAF Anfang der 1990er Jahre versetzt. Obwohl die Namen und Teile der Handlung fiktiv sind, fand ich genügend Parallelen zu tatsächlichen Personen dieser Zeit. Mich hat das Buch von Anfang an gefesselt, und ich konnte es bis zum Showdown einfach nicht weglegen.

André Georgi „Die letzte Terroristin“, erschienen bei suhrkamp taschenbuch, Berlin

[Rezension] Annette Hess – Deutsches Haus

Klappentext: Frankfurt 1963. Eva, gelernte Dolmetscherin und jüngste Tochter der Wirtsleute Bruhns, steht kurz vor ihrer Verlobung. Unvorhergesehen wird sie gebeten, bei einem Prozess die Zeugenaussagen zu übersetzen. Ihre Eltern sind, wie ihr zukünftiger Verlobter, dagegen: Es ist der erste Auschwitz-Prozess, der in der Stadt gerade vorbereitet wird. Eva, die noch nie etwas von diesem Ort gehört hat, folgt ihrem Gefühl und widersetzt sich ihrer Familie. Sie nimmt die Herausforderung an, ohne zu ahnen, dass dieser Jahrhundertprozess nicht nur das Land, sondern auch ihr eigenes Leben unwiderruflich verändern wird.

Hess ist bekannt für ihre Drehbücher fürs deutsche Fernsehen, darunter Highlights wie „Weissensee“ und „Ku’damm 56/59“. Mit „Deutsches Haus“ legt sie ihren ersten Roman vor. Die sechziger Jahre sind geprägt vom Patriarchat, und die Protagonistin Eva Bruhns widersetzt sich, erst ihren Eltern, dann ihrem zukünftigen Ehemann. Die Autorin beschreibt sehr gut das Wegsehen und Vergessenwollen der Kriegsgeneration („Das ist doch über 20 Jahre her, das will heute niemand mehr wissen!“), ebenso die Bemühungen um die Aufarbeitung der Geschichte und der Verbrechen des Dritten Reiches. Leider sind Hess‘ Figuren an vielen Stellen zu blass geraten, gerade die Männer sind zu undurchsichtig und verschwinden auch etwas seltsam aus dem Buch.

Annette Hess, Deutsches Haus, erschienen bei Ullstein Buchverlage, 2018

Saure Gurken-, ähm.. Lesezeit

Die vergangenen sechs Monate waren ausgesprochen schwierig. Arbeit, Pendeln, Arbeit, Trainings, Entscheidungen, Mäuse in der Zweitburg, Arbeit. Und so weiter. Leider wird das nicht viel besser in den kommenden Monaten, zum Lesen musste ich mich teilweise zwingen.

ABER: ich habe im Urlaub wenigstens zwei Bücher gelesen und in meinen vergangenen drei Wochen kzH mindestens drei. Diese liegen daheim noch auf dem Rezi-Stapel, ich muss nur noch was dazu schreiben

[Rezension] Julie von Kessel – Altenstein

Klappentext: 1945 ist das Leben in Ostpreußen zu Ende. Agnes von Kolberg hat ihren Mann verloren, zwei Güter, aber nicht ihren pragmatischen Lebensmut. Sie beginnt mit ihren zehn Kindern im Westen neu. In der wenig glamourösen Bundesrepublik finden alle Kinder ihren Platz, nur die beiden Jüngsten machen Sorgen: Nona, die Schöne, bricht aus und bietet der selbstherrlichen Mutter die Stirn. Konrad, Agnes‘ Augapfel, kämpft lange um einen Lebensentwurf. Er sieht in der Wiedervereinigung die Chance, das Land seines Vaters in Brandenburg wiederzubekommen. Mit Gut Altenstein möchte er endlich an die vermeintlich glorreiche Zeit der Familie anknüpfen.

„Altenstein“ ist eine hochinteressante Familiengeschichte, die mehrere Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts umspannt. An manchen Stellen vielleicht ein wenig zu komplex, erzählt von Kessel die Höhen und auch Tiefen einer Großfamilie, die streng von der Mutter zusammengehalten wird. Konrad, der nach der Wende versucht, das ehemalige Gut der Familie wiederzubekommen, gibt sich dabei vielen Illusionen hin, die letztlich alle scheitern.

Julie von Kessel, Altenstein, erschienen bei Kindler, 2017; Hörbuch bei Argon Verlag, gelesen von Sopihe von Kessel

[Rezension] Andreas Eschbach – NSA

Klappentext: „Weimar 1942: Die Programmiererin Helene arbeitet im Nationalen Sicherheits-Amt und entwickelt dort Programme, mit deren Hilfe alle Bürger des Reichs überwacht werden. Erst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, regen sich Zweifel in ihr. Mit ihren Versuchen, ihm zu helfen, gerät sie nicht nur in Konflikt mit dem Regime, sondern wird auch in die Machtspiele ihres Vorgesetzten Lettke verwickelt, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet … Was wäre, wenn es im Dritten Reich schon Computer gegeben hätte, das Internet, E-Mails, Mobiltelefone und soziale Medien – und deren totale Überwachung?“

Ich habe das Buch jetzt dreimal angefangen und dreimal abgebrochen, ich komme mit der Geschichte und Eschbachs Erzählweise diesmal gar nicht klar. Das mag zum einen an der schwachen Figur Helenes liegen, die er geschaffen hat (na klar, der männliche Part ist viel dominanter), zum anderen an jedem eingedeutschten technologischen Begriff, die er in dem Roman zuhauf verwendet. Für jemanden wie mich, der heutzutage in der Branche arbeitet und dann liest, was Eschbach daraus angepasst hat, ist das ganze eigentlich ein Rückschritt. Dazu kommen noch gewaltverherrlichende Szenen und verklärende Reden der Nazizeit vieler seiner Protagonisten, was ich persönlich in Zeiten wie diesen sehr fragwürdig finde. So sehr ich Eschbachs Bücher sonst wirklich schätze, das hier werde ich nicht weiterempfehlen.

Andreas Eschbach, „NSA – Nationales Sicherheits-Amt“, 800 Seiten, erschienen bei Bastei Lübbe

[Rezension] Takis Würger – Stella

Berlin im Jahr 1942. Eine Geschichte über Angst und Hoffnung – und über die Entscheidung, sich selbst zu verraten oder seine Liebe. Eine Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht.

Ein junger Schweizer aus gutem Haus kommt im vierten Kriegsjahr nach Berlin. Friedrich will Zeichnen lernen, die Stadt erleben. Bei seinem ersten Kurs soll er ein Mädchen malen, bringt aber keinen Strich zu Papier. Später lernt er Kristin näher kennen, verliebt sich und bleibt. Sie streifen durch die Berliner Nächte, feiern ausgelassen, lernen zwielichtige und auch gute Menschen kennen. Irgendwann verschwindet Kristin. Als sie nach über einer Woche wieder auftaucht, hat sich alles geändert. Kristin ist Stella, eine jüdische junge Frau, die unter Folter und Misshandlung eingewilligt hat, untergetauchte Juden zu finden, damit ihre Eltern nicht deportiert werden.

Ohne die derzeit stattfindenden Diskussionen um das Buch zu kennen, habe ich mich darauf eingelassen. Immer wieder stellte ich mir beim Hören die Frage, wie man sich wohl verhalten würde, wenn einem etwas ähnliches wiederfahren würde. Oder ob Menschen die Situation um sie herum nicht wahrhaben wollten, stattdessen Feste feierten und sich mit Alkohol und Drogen betäubten. Friedrich kam mir zu oft viel zu naiv vor, auch das wiederholte Aufsuchen des gemeinsamen Bekannten Tristan, der Kristin offenbar verraten hatte, konnte ich nicht richtig nachvollziehen. Bei der fiktiven(?) Figur fehlte mir einfach das Kritische, Misstrauische. Kristin/ Stella war mir oft zu gleichgültig, was ihre Taten als „Greiferin“ nur noch schlimmer macht. Ich vermute, es ging irgendwann nicht mehr um ihre Eltern, sondern nur ihr eigenes Überleben. Ich habe auch einige Kapitel gebraucht bis ich begriff, dass die verlesenen Auszüge aus den Protokollen Zeugenaussagen aus den Prozessen gegen Stella waren. Erst im Epilog wird aufgeklärt, dass es sich bei Stella um eine reale Person handelt.

„Stella“ setzt sich auf seine Art mit dem Holocaust auseinander. Wer das jedoch eindringlicher und kritischer haben möchte, sollte ein entsprechendes Sachbuch dazu lesen. Ich denke, das ist kein Anspruch, den Takis Würger hier erhebt.

Takis Würger, „Stella“, erschienen im Carl Hanser Verlag 2019; Audio-CD von Random House Media

[Rezension] Sebastian Fitzek – Der Insasse

Klappentext: Ein vermisstes Kind – ein verzweifelter Vater – ein Höllentrip ins Innere der Psychiatrie. ​Zwei entsetzliche Kindermorde hat er bereits gestanden und die Berliner Polizei zu den grausam entstellten Leichen geführt. Doch jetzt schweigt der psychisch kranke Häftling Guido T. auf Anraten seiner Anwältin. Die Polizei ist sicher: Er ist auch der Entführer des sechsjährigen Max, der seit drei Monaten spurlos verschwunden ist. Die Ermittler haben jedoch keine belastbaren Beweise, nur Indizien. Und ohne die Aussage des Häftlings werden Max‘ Eltern keine Gewissheit haben und niemals Abschied von ihrem Sohn nehmen können.

Wer viel und weit fährt, kann viele Hörbücher konsumieren. Fitzek hat sich einmal mehr als der Meister des gruseligen Psychothrillers erwiesen. Ausgerechnet den „Insassen“ für meine Fahrt nach Hause kurz vor Weihnachten zu wählen, betrachte ich im nachhinein als eine blöde Idee. Schneeregen, Düsternis taten ihr übriges zum Gruseleffekt, so dass ich nach knapp der Hälfte abbrechen musste. Sehr lesens- und hörenswert, aber ich empfehle, das Hörbuch echt bei Sonnenschein zu hören. Top!

Sebastian Fitzek, „Der Insasse“, erschienen bei Droemer Knaur, Hörbuch bei audible oder argon Hörbuch, gelesen von Simon Jäger