LBM 14 – Teil 2

Es ist voll am Samstag, die Begleitung und ich haben bereits im Vorfeld beschlossen, dass wir den Sonntag entspannt daheim verbringen wollen. Für ihn ist es der erste Messebesuch, daneben komme ich mir fast wie ein alter Hase vor.

„Entschuldigung, seid ihr Buchhändler?“, spreche ich die beiden an, die uns das Gedränge nach einer Stunde Rundgang entgegenspült und die mir von Fotos her bekannt vorkommen. „Ja, sind wir.“ – „Weinbrenners?“ – „Ja!“ – „Hi, ich bin Anja.“ Unglaublich. Im größten Gewühl der Buchmesse freue ich mich, dass ich die beiden Köpfe hinter dem Bücherhof getroffen habe. Wir stehen etwa 10 Minuten als Inseln im Gewusel der Menschen und schnattern über den Bücherhof, Facebook, das neue Haus der Weinbrenners und ihre Pläne damit, bevor jeder wieder in die Richtung weiterzieht, in die es ihn vorher getrieben hat. Spontane Begegnungen auf dieser Messe sind für mich immer noch die besten.

Wir gehen noch einmal zum Stand des Eulenspiegel Verlags, wo Arno Funke Poster und Zeitschriften signiert, ich stelle mich danach beim diogenes Verlag an, um mir den neuesten Roman von Ingrid Noll signieren zu lassen. Wir gehen nochmal bei der Leipziger Autorenrunde vorbei, um Zoe Beck und Isa Bogdan Hallo zu sagen, bevor wir uns trennen; ich will zum Treffen von Lovelybooks, die Begleitung zur Antiquariatsmesse und auf eigene Faust entdecken.

Das Lovelybooks-Treffen ist recht voll; auf der Bühne sitzen neben der Moderatorin zwei bloggende Mitglieder von Lovelybooks, der Autor Kai Meyer (von dem ich bisher noch nichts gelesen habe), und, wenn ich mich nicht verhört habe, eine Vertreterin von Bastei Lübbe. Es geht gerade um soziale Medien und ihre Bedeutung für Autoren und Verlage. Kai Meyer erklärt, wie er Facebook, Twitter und Co. nutzt, wie wichtig für ihn diese Medien und der Kontakt zu den Lesern und Verlagen ist. Interessant finde ich die Antworten der beiden Lovelybooks-Leute auf die Frage, ob sie Verlage um Leseexemplare bitten; beide verneinen und erklären, dass sie das auch nicht richtig fänden, man solle die Bücher doch lieber kaufen, die man lesen möchte. Schreiben könne man ja trotzdem drüber. Ein etwas eigenwilliger Ansatz, finde ich. Wie ernst es den Leuten, die bei diesen Antworten noch nickend unter den Zuhörern saßen, mit diesen Aussagen ist, zeigt sich bereits am Ende der Diskussion: Am Rand sind zwei große Berge Giveaways aufgeschichtet, wie beim Eröffnungstag eines Schlussverkaufs im größten Schuhkaufhaus stürzen sich die Massen auf diese Taschen. Insgesamt sechs Bücher und diverse Kleinigkeiten sowie Infomaterial (Bastei Lübbe) sind in den Taschen. Und ihr wollt mir weismachen, dass ihr nicht auf Leseexemplare scharf seid? Lustigerweise läuft mir als erstes die Lovelybooks-Dame, die vehement verneinte, mit zwei dieser Taschen danach vor die Füße.

Da wir die Tochter der Begleitung zu diesem Messetag nicht mitnehmen konnten, wollten wir ihr wenigstens noch ein paar Mitbringsel übergeben. Die freundlichen Damen und Herren bei den Fernsehsendern hatten für meine Bitte viel Verständnis und packten Kugelschreiber, Kalender, Schlüsselbänder, Lesezeichen und noch einiges anderes mit besten Grüßen ein. Nebenbei habe ich mir Aufzeichnungen für Kulturzeit bei 3sat und kurz Interviews beim mdr angeschaut.

Kurz vor Ende des Messetages treffen sich die Begleitung und ich wieder am vereinbarten Treffpunkt vor Halle 1. Gegen halb 6 schleichen wir vollbeladen, schnatternd und erledigt vom Gelände und treten die Heimfahrt an. Den Sonntag verbringen wir dann damit auszuschlafen, gemütlich zu frühstücken, noch ein bisschen von unseren Erlebnissen zu erzählen und die Beute zu teilen. Die Tochter der Begleitung hat sich übrigens sehr über das Mitgebrachte gefreut.

LBM14 – Teil 1

Messe. Leipziger Buchmesse. Menschen, unsagbar viele Menschen. Um es mal anders zu sagen: People do scare me. A lot. Und dann auch noch diese Massen.

Im vergangenen Jahr war ich auf der Leipziger Buchmesse für genau einen Tag als Besucher mit tausenden anderen und unzähligen Cosplayern. Ich fand es großen Spaß, auch wenn ich es vermieden habe, mich unter die ganzen Mangakids zu mischen. Das ist mir ein bisschen zu sehr drüber. Ansonsten fand ich es toll, die Verlage abzuklappern, Bücher zu stöbern, Autoren zu treffen. In diesem Jahr also erstmals der Versuch, das Event als Presse/ Blogger zu entern. Obwohl ich die Akkreditierungsfrist im Vorfeld um genau einen Tag verpasst hatte, konnte ich den begehrten Ausweis am Donnerstag ohne große Diskussion in Empfang nehmen. Wohoo!

Jetzt bin ich ja ein höflicher Mensch, der sich brav an die Stände stellt und zurückhaltend nach Büchern fragt. Donnerstag: Klar, lassen Sie Ihre Karte mal da, wir melden uns; Wir geben keine Leseexemplare raus, aber ihre Daten geben wir gern an die Presseabteilung weiter. Na gut. Ich habe letztes Jahr beobachtet, dass Leute einfach an die Stände gegangen sind und im Tausch für ihre Visitenkarte Bücher bekommen haben. So wollte ich nicht sein, so wollte ich nicht auftreten. Offenbar siegt frech dann doch, denn am Freitag zog die offensivere, aber immer freundliche Masche deutlich besser. Der Verlag, der am Donnerstag noch keine Leseexemplare ausgeben wollte, stapelte am Freitag vier (!) Bücher vor mir auf und klebte „kostenloses Leseexemplar“ drauf. Und so ging es weiter. Mal gab es Bücher, mal nicht, dafür die Visitenkarte und das Versprechen, mir das Gewünschte nach der Messe zuzusenden. Ich werde sehen, was am Ende hier ankommt.

Donnerstag und Freitag – sehr viele Schulklassen, die auf der Messe unterwegs waren. Ich finde das eine sehr gute Idee, eine Klassenfahrt zu veranstalten, denn es verbindet Angenehmes mit Nützlichem nach meiner Ansicht. Hochschulen, Verlage, Mittelständler präsentieren sich nämlich ebenfalls als zukünftige Ausbilder und Arbeitgeber „rund ums Buch“. Und ein paar Bücher zum Schmökern in der Freizeit konnten sie auch noch erwerben.

Am Freitag Nachmittag fand noch das Treffen der Ironblogger statt (zu dem ich zu spät kam, weil ich erst den Seminarraum nicht fand und der sich am Ende als größerer Schuhkarton entpuppte). Ich finde solche kleinen Treffen ja sehr nett und hilfreich; endlich gibt es mal Gesichter hinter den Blogs. Und irgendwo hat man sich doch auch schon mal vorher getroffen… Sehr interessant fand ich die Präsentation von LitVideo (heute kam das Transskript dazu). LitVideo produzieren unter anderem, ähnlich den Filmtrailern, Buchtrailer. Auch wenn ich die Idee klasse finde, so ganz klar ist mir noch nicht, welchen Mehrwert Verlag und Agentur haben werden, wenn Blogger die Trailer in ihre Blogs einbinden. Das ist meiner Meinung nach – ähnlich den Filmtrailern – uninteressant, sobald das Buch erschienen, gelesen und rezensiert ist. Wie so vieles, das ich auf der Messe aufgesaugt habe, gilt auch hier, dass ich mir das nochmal in Ruhe und genauer ansehen muss. Ganz sinnfrei ist die Idee nämlich nicht.

Florian Illies – 1913: Der Sommer des Jahrhunderts

Die Geschichte eines ungeheuren Jahres, das ein ganzes Jahrhundert prägte: Florian Illies entfaltet virtuos ein historisches Panorama. 1913: Es ist das eine Jahr, in dem unsere Gegenwart begann. In Literatur, Kunst und Musik werden die Extreme ausgereizt, als gäbe es kein Morgen. Zwischen Paris und Moskau, zwischen London, Berlin und Venedig begegnen wir zahllosen Künstlern, deren Schaffen unsere Welt auf Dauer prägte. Man kokst, trinkt, ätzt, hasst, schreibt, malt, zieht sich gegenseitig an und stößt sich ab, liebt und verflucht sich.

Es ist ein Jahr, in dem alles möglich scheint. Und doch wohnt dem gleißenden Anfang das Ahnen des Verfalles inne. Literatur, Kunst und Musik wussten schon 1913, dass die Menschheit ihre Unschuld verloren hatte. Der Erste Weltkrieg führte die Schrecken alles vorher schon Erkannten und Gedachten nur noch aus. Florian Illies lässt dieses eine Jahr, einen Moment höchster Blüte und zugleich ein Hochamt des Unterganges, in einem grandiosen Panorama lebendig werden.  (aus: Amazon Kurzbeschreibung)

1913 ist ein Buch, das ich in einem Rutsch weggelesen habe, weil es spannend, interessant und so facettenreich geschrieben ist. Man trifft beim Lesen so ziemlich jede berühmte oder noch nicht ganz berühmte Gestalt dieser Zeit, hat das Gefühl, Kafka beim Verzweifeln und Briefe schreiben zusehen zu können, trinkt mit Joyce einen Kaffee, geht mit dem deutschen Kaiser und dem österreichischen Thronfolger auf die Jagd (welche unglaublcihen Gemetzel), Kokoschka hat sehr großes Potential zum Fremdschämen, man malt mit Franz Marc die Blauen Pferde.

Zwischen all den Dreiecksgeschichten, Verwirrungen, Verlusten klingt die anstehende Veränderung der Welt des 20. Jahrhunderts in Andeutungen und Zwischentönen durch. Die Zeit der Moderne geht zuende, die Expressionisten sind die aufgehenden Sterne am Kunsthimmel, die „Brücke“ zerfällt, die Leichtigkeit vergeht. Die gestohlene „Mona Lisa“ taucht in Italien wieder auf, Europa taumelt auf den Ersten Weltkrieg zu.

Was man vielleicht für eine trockene Geschichtsstunde aus Jahreszahlen, Namen und eine sture Aneinanderreihung von historischen Ereignissen halten könnte, ist ein kurzweiliges Lesevergnügen, das Illies aus Fakten in einem lockeren Erzählstil aufbereitet hat. Mehrmals beim Lesen hatte ich den Gedanken, dass die Recherche für das Buch die Hölle gewesen sein muss. Kafkas verwirrte Briefschreiberei, Rilkes Hin und Her zwischen allen Stühlen, Alma Mahlers Spielchen mit den Männern, Else Lasker-Schüler inspiriert Künstlerkollegen zu einer Spendenaktion – ich fand das Ergebnis sehr unterhaltsam zu lesen. Außerdem gelernt: Amokläufe an Schulen gab es auch schon 1913.

Boris Meyn – Totenwall

Im Sommer 1910 ist Hamburg eine einzige Baustelle: gleichzeitig werden Ringbahn, Elbtunnel und der Durchbruch Mönckebergstraße gebaut. Das Bankhaus Goldmann wird ausgeraubt, der Seniorchef der Bank liegt erschlagen im Tresorraum. Bei Rechtsanwalt Sören Bischop meldet sich ein alter Mandant und gesteht den Überfall, mit dem Mord habe er jedoch nichts zu tun. Der Raub sei ein Auftrag gewesen, daraufhin beginnt Bischop zu recherchieren. Und dann tauchen auch noch kopflose Frauenleichen auf den Baustellen der Ringbahn auf…

Krimis zu beschreiben ist für mich immer noch ein bisschen schwierig. „Totenwall“ ist das zweite Buch von Boris Meyn, das ich gelesen habe. Kurzweilig geschrieben, bis kurz vor Schluss hatte ich mehrere Verdächtige, aber nie den richtigen Verdacht, wer der/die Täter gewesen sein könnten. Bis auf die historisch belegten Fakten (Meyn erklärt sie im Nachwort) ist der Roman Fiktion, was ihn für mich um so spannender zu lesen machte.

Ich mochte Bischop, aber auch einige Nebenfiguren waren sympathisch geschrieben. Und der Täter war für mich dann doch eine Überraschung. Kleines Lesevergnügen für zwischendurch.

Andreas Eschbach – Ausgebrannt

„Ausgebrannt“ habe ich mir als Buch zugelegt, als ich angefangen hatte, das Hörbuch vor dem Einschlafen zu hören (schreibt man das so, „Hörbuch hören“?). Auf meinem iPod classic ist die Reihenfolge der Kapitel nicht immer logisch. Und irgendwann wollte ich die Geschichte in der richtigen Reihenfolge lesen.

Marcus Westermann, die Hauptfigur des Buches, glaubt eine Methode zu kennen, mit der man noch Öl finden kann, als die Ausbeute der bekannten Ölfelder langsam absinkt. Als das größte Ölfeld der Welt versiegt, sieht Marcus seine große Chance, alle Zweifler von seiner Methode, unendlich viel Öl zu finden, zu überzeugen und das ganz große Geld zu verdienen. Doch wie immer in Eschbachs Büchern kommt alles anders.

Eschbach malt erneut ein Weltuntergangsszenario und untermauert mit zahlreichen Fakten, wohin die Menschheit gehen wird, wenn Ignoranz der Rohstoffknappheit und Sorglosigkeit mit Ressourcen so weitergetrieben werden wie bisher. Er beschreibt Entwicklungen, die man bisher wohl nur aus solchen Endzeitfilmen wie „Mad Max“ oder „Waterworld“ kennen mag. Der Unterschied ist nur, dass dies alles ganz genau so eintreffen könnte und rein gar nichts mehr mit Science-Fiction zu tun haben wird.

„Ausgebrannt“ fand ich superspannend, der Schluss hat mich sehr nachdenklich zurückgelassen, und am liebsten würde ich von dieser Geschichte gern noch viel mehr lesen wollen.

Terry Pratchett – Die Farben der Magie

Es ist bestimmt 15 Jahre her, dass mir ein Bekannter einen Scheibenwelt-Roman von Terry Pratchett zum Lesen gegeben hat. Zu der Zeit war Fantasy überhaupt nicht mein Ding, denn dieser Roman blieb sehr lange der letzte, den ich in diesem Genre gelesen habe. Pratchett hat mich damals offensichtlich so wenig überzeugt, dass ich mir nicht mal den Titel des Buches gemerkt habe.

„Die Farben der Magie“ habe ich durch die Begleitung kennengelernt, allerdings zunächst in der großartigen Verfilmung, u.a. mit Tim Curry und Sean Astin. Das Buch hat, wie so viele andere Romanvorlagen, einen anderen Erzählstrang, steht dem Film aber in nichts nach.

Der Magier Rincewind wird erst von einem Zauberspruch befallen, danach fliegt er von der Unsichtbaren Universität. Bei seiner Flucht aus Ankh-Morpork wird er gefasst, der Patrizier der Stadt verdonnert ihn, sich um den ersten Touristen der Scheibenwelt, Zweiblum, zu kümmern. Und der Tod hat auch ein Auge auf Rincewind geworfen…

Sowohl im Buch als auch im Film habe ich zwei Figuren, die die absurde Geschichte für mich sehr aufgelockert haben: den doch recht sarkastischen Tod (der einen ständig in Großbuchstaben anbrüllt) und eine Truhe aus intelligentem Birnbaumholz, die Zweiblum unter anderem als Reisegepäck dient. Rincewind ist an Trotteligkeit kaum zu überbieten, den toppt eigentlich nur noch Zweiblum mit seiner Naivität und seinem unerschütterlichen Glauben an alles Gute und das rein gar nichts schiefgehen kann.

Bei beiden, Film und Buch, habe ich oft gelacht und viel geschmunzelt. Und jetzt sagt die Begleitung, ich müsse noch „Die Phantasie der Farben“ lesen…

Meike Winnemuth – Das große Los

„Das große Los“ ist ein Mitbringsel von der Leipziger Buchmesse 2013, auf der ich das Glück hatte, Meike Winnemuth bei einer Lesung zu erwischen und mir anschließend das Buch signieren zu lassen.

Ich hatte die Geschichte bereits vorher sporadisch im Blog verfolgt und kannte grob  Geschichten und Hintergründe. Sie dann noch einmal zwischen Buchdeckel gedruckt zu lesen, war nochmal ein anderes Erlebnis. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, das Buch hintereinander weg zu lesen. Das ging nicht, weil ich zwischendrin immer mal wieder nachdenken musste. Über Meikes Glück, bei Jauch diesen Wahnsinnsbetrag zu gewinnen, ihren Entschluss, diese Tour zu machen und ihre Erkenntnis, dass sie den Betrag im Rücken eigentlich nicht gebraucht hätte.

12 Monate, 12 Städte, 12 unglaubliche Geschichten zu erzählen. Sicherlich, ihre Erfahrung als Journalistin kam ihr beim Reisen und bei der Planung mehr als einmal zugute, viele Dinge, die sie so locker beschreibt, würde ich nie so auf die Reihe bekommen. Aber es war ein großer Spass, ihre Erlebnisse nachzulesen, vieles hat mich auch nachdenklich gemacht. Ob ich wohl auch so gern unterwegs wäre, Menschen, Orte, Dinge entdecken würde, wenn ich frei in der Wahl meines Arbeitsortes wäre? Denn das ist das Ausschlaggebende an der ganzen Sache – Meike konnte während ihrer Tour arbeiten und hatte immer noch genug Zeit und jede Menge Gelegenheit, Neues auszuprobieren, Sehenswürdigkeiten zu entdecken, Menschen kennenzulernen.

Wer Reisen mag, wird dieses Buch bestimmt sehr gern lesen.

Marc Elsberg – Blackout

Mitten im Februar brechen in Europa alle Stromnetze zusammen, ein kompletter Blackout. Ein italienischer Informatiker vermutet einen Hackerangriff, bietet seine Hilfe bei der Lösung an, gerät aber selbst unter Verdacht, weil er früher selbst zu Hackerkreisen zählte. Nach nur wenigen Tagen beginnen die Menschen, ums Überleben zu kämpfen. Irgendwann fällt auch der Strom in Amerika aus…

„Blackout“ ist verstörend, weil er sehr nahe an der Realität geschrieben ist. Der länderübergreifende Ausbau der Stromnetze, Handel, Umverteilung von überschüssig erzeugtem Strom macht die Netze angreifbar. Ein europaweiter Stromausfall wird hier als absoluter Super-GAU beschrieben, denn nichts funktioniert mehr ohne Strom. Irgendwann fliesst kein Wasser mehr, Kläranlagen verarbeiten keine Abwässer mehr, Kühlanlagen, Kassensysteme in Supermärkten, Heizungsanlagen, Alarmanlagen – irgendwann funktionieren nur noch Dinge, die unabhängig vom Stromnetz sind. Und das dürfte in der heutigen Zeit fast nichts mehr sein. Elsberg malt ein Horrorszenario aus vollkommener Dunkelheit, Gier, Egoismus, dem Kampf ums nackte Überleben und zeigt gleichzeitig die Armseligkeit und Hilflosigkeit von Regierungen und Behörden, die mit der Situation komplett überfordert sind.

Es war erschreckend zu lesen und sich vorzustellen, wie schnell Nachbarn zu erbitterten Feinden werden können, wenn Lebensmittel knapp werden, wie sehr Regierungen in ihren Prozessen gefangen sind (man mag für alles einen Notfallplan haben), wie rücksichtslos dort Kompetenzgerangel betrieben wird, ohne zu bedenken, dass Menschenleben auf dem Spiel stehen.

„Blackout“ ist ein spannender Thriller, der jede Seite zu lesen lohnt, mit wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Fakten untermauert findet sich nach dem Weglegen des Buches noch genug Material, das ich in Teilen sehr interessiert nachgelesen habe.

Jay McInerney – Das gute Leben

Aschermittwoch. Die Überreste – Papier und rußiger Staub – hatten sich durch die Avenues bis zur Duane Street gewälzt.

Er taumelte den West Broadway hinauf, von Kopf bis Fuß mit grauer Asche bedeckt, und sah aus wie eine Statue zum Gedenken an einen lang zurückliegenden Sieg, oder eher noch an eine heroische Niederlage – ein General der Konföderierten vielleicht. Das war ihr zweiter Gedanke. Der erste, daß er mindestens einen Tag zu spät kam. Gestern Morgen und bis weit in den Nachmittag hinein waren Tausende so den West Broadway entlangmarschiert, vor der schrägen Rauchfahne fliehend, mit der gleichen Asche bedeckt, mit den Füßen durch den Staub schlurfend, während aus dem tiefblauen Himmel Papier auf sie herabregnete – eine teufliche Version der alten Konfettiparaden auf dem Broadway weiter unten. Es sah aus, als wollte diese einsame Gestalt den Rückzug aus einer schon legendären Schlacht nachspielen.

„Das gute Leben“ beginnt am Vorabend des 11. September 2001 in New York und erzählt die Geschichte zweier Upperclass-Ehepaare, die sich in ihrem Leben eingerichtet haben und in ihren Gewohnheiten festhängen, ehe über die Stadt eine Katastrophe hereinbricht. Corrine hat nach der Geburt ihrer Kinder gerade wieder begonnen, als Anwältin zu arbeiten, ihr Mann schreibt Drehbücher. Luke hat vor einem Jahr seinen hochbezahlten Job an der Börse an den Nagel gehängt, seine Frau versteht es, sich gekonnt in der High Society der Stadt in Szene zu setzen. Corrine und Luke begegnen sich ein paar Tage nach dem Einsturz der Zwillingstürme, er verwirrt, sie überlegt und überlegen, beide treffen sich wieder, um die Einsatztruppem am Ground Zero zu versorgen, und lernen sich dort näher und besser kennen.

McInerney spinnt einen interessanten Faden um diese beiden Figuren, den man nicht verlieren möchte. Während die beiden Hauptfiguren noch mit diesem Schicksalsschlag hadern, gehen ihre Familien wieder zur scheinbaren Normalität über, man wundert sich an mancher Stelle, mit wieviel Gleichgültigkeit und Kaltschnäuzigkeit dies geschieht. Dahinter sieht man aber auch nach und nach andere Dinge, die einem nicht gefallen, gefallen wollen und können. Es geht um Liebe, Verrat, Geld, gesellschaftliche Stellung, gutes Leben, Neuanfang, aus welcher Sicht auch immer.

Es ist nicht alle Hoffnung verloren (Insider)

„Was macht eigentlich das Kind, das dadurch Rechtsgeschichte geschrieben hat, dass das BVerfG mit Beschluss vom 21.07.2010 (1 BvR 420/09) entschieden hat, dass es verfassungswidrig ist, den Vater grundsätzlich vom gemeinsamen Sorgerecht auszuschließen, wenn sich die Mutter dagegen sperrt?

Es lebt seit dem 28.09.2010 bei seinem Vater. Diesem ist mit Beschluss des AG Bad Oeyenhausen vom 21.10.2010 (43 F 3/09) mit Zustimmung der Mutter die alleinige Sorge übertragen worden.“

Quelle: FamRZ 2011, 452