Jay McInerney – Das gute Leben

Aschermittwoch. Die Überreste – Papier und rußiger Staub – hatten sich durch die Avenues bis zur Duane Street gewälzt.

Er taumelte den West Broadway hinauf, von Kopf bis Fuß mit grauer Asche bedeckt, und sah aus wie eine Statue zum Gedenken an einen lang zurückliegenden Sieg, oder eher noch an eine heroische Niederlage – ein General der Konföderierten vielleicht. Das war ihr zweiter Gedanke. Der erste, daß er mindestens einen Tag zu spät kam. Gestern Morgen und bis weit in den Nachmittag hinein waren Tausende so den West Broadway entlangmarschiert, vor der schrägen Rauchfahne fliehend, mit der gleichen Asche bedeckt, mit den Füßen durch den Staub schlurfend, während aus dem tiefblauen Himmel Papier auf sie herabregnete – eine teufliche Version der alten Konfettiparaden auf dem Broadway weiter unten. Es sah aus, als wollte diese einsame Gestalt den Rückzug aus einer schon legendären Schlacht nachspielen.

„Das gute Leben“ beginnt am Vorabend des 11. September 2001 in New York und erzählt die Geschichte zweier Upperclass-Ehepaare, die sich in ihrem Leben eingerichtet haben und in ihren Gewohnheiten festhängen, ehe über die Stadt eine Katastrophe hereinbricht. Corrine hat nach der Geburt ihrer Kinder gerade wieder begonnen, als Anwältin zu arbeiten, ihr Mann schreibt Drehbücher. Luke hat vor einem Jahr seinen hochbezahlten Job an der Börse an den Nagel gehängt, seine Frau versteht es, sich gekonnt in der High Society der Stadt in Szene zu setzen. Corrine und Luke begegnen sich ein paar Tage nach dem Einsturz der Zwillingstürme, er verwirrt, sie überlegt und überlegen, beide treffen sich wieder, um die Einsatztruppem am Ground Zero zu versorgen, und lernen sich dort näher und besser kennen.

McInerney spinnt einen interessanten Faden um diese beiden Figuren, den man nicht verlieren möchte. Während die beiden Hauptfiguren noch mit diesem Schicksalsschlag hadern, gehen ihre Familien wieder zur scheinbaren Normalität über, man wundert sich an mancher Stelle, mit wieviel Gleichgültigkeit und Kaltschnäuzigkeit dies geschieht. Dahinter sieht man aber auch nach und nach andere Dinge, die einem nicht gefallen, gefallen wollen und können. Es geht um Liebe, Verrat, Geld, gesellschaftliche Stellung, gutes Leben, Neuanfang, aus welcher Sicht auch immer.

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