Ich muss von diesen Drogen wieder runter. Dieses Mistzeug verursacht gerade eines bei mir – Schreibblockaden insofern, dass ich die Ideen nicht aus dem Kopf rausschreiben kann. Und so bleibt eine graue, wabernde Masse im Kopf, die kurz grellgrün aufblitzt, um dann wieder in den Tiefen der Schwärze zu verschwinden.

Es gibt ja so Dinge, die tut man irgendwann zum ersten Mal. Diese Woche – triff einen Dir völlig unbekannten Twitterer.

Seit langem mal wieder unter Leute zu gehen ist ja auch so ein Ding, was ich mit ein wenig Bauchgrummeln im voraus absolviere. Man weiß ja nie, wen man so trifft und das Internet ist böse und gemein, voller abgedrehter Spinner. Aber: Diesmal war irgendwie alles gut. Es war ein schöner, unterhaltsamer Abend, auch wenn die Themen ein wenig zu ernst waren (ja, ich war schuld). Kann man ja beim nächsten Mal besser machen. Es ging um nichts, mein Leben hing nicht davon ab, ich mußte niemanden beeindrucken und das war auch in Ordnung so.

Es war spät an diesem Abend, die vielen Eindrücke, das Verarbeiten der Gespräche haben mich – was sonst? – gegen 4 Uhr wieder aus dem Schlaf gerissen. Gna. Irgendwann gegen 6 bin ich wieder eingedöst, um kurz vor 8 aus dem Dämmerschlaf zu fahren, als der Abspann von „Fluch der Karibik 3“ in den Kopfhörern hämmerte. Verpennt!

An diesem Abend dann mit den Kollegen zum Bowling gegangen und seit langem mal wieder so richtig gelacht und Spaß gehabt. Bis einer im Scherz sagte: „Egal, was Ihr nehmt, nehmt weniger.“ Erst da fiel mir ein, daß ich in der morgendlichen Hektik ohne meine täglichen Drogen das Haus verlassen hatte. Das war so gegen 9 Uhr abends.

Heute fühle ich mich ein bißchen, als hätte ich zwei Tage und Nächte durchgefeiert, was auch daran liegen könnte, daß auf der Bowlingbahn das Rauchen wieder erlaubt ist und ich den Qualm nicht mehr vertrage.

Es waren aber zwei wirklich gute Tage. Geht doch.

Doch noch einmal kurzer Zwischenstand:

Ich hole Luft und Anlauf, denn die negative Bewertung werde ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich habe genügend Material in der Pfote, um unter Beweis zu stellen, daß ich sehr wohl meinen Job gemacht habe. Wenn es nicht anders geht, dann halt schwarz auf weiß. Womit wir wieder beim Thema Präsenz des Chefs wären…

In zwei Wochen wird es wohl ein Gespräch geben, in dem das krude Projekt nachbesprochen werden soll. Wenigstens kann ich mich diesmal darauf vorbereiten. Um den Betriebsrat werde ich nicht drumrum kommen, auch wenn mein Teamchef mich davor gewarnt hat. Es geht nur um Beratung zunächst und nicht die ganz große Keule.

In der Zwischenzeit übernehme ich im Tagesgeschäft alles, was anfällt, bemühe mich natürlich auch um Sonderaufträge. Das habe ich schon immer getan, aber wenn sie über jeden Schritt von mir im Bilde sein wollen, bitte, bekommen sie auch das.

Gerade heute kam die Anfrage eines meiner Ex-Kunden herein, die ich sofort übernommen habe. Ich habe mit ihm telefoniert, die technischen Details abgesprochen und ihm auch gesagt, daß ich den Auftrag erledigen werde und warum. „Fein, da freue ich mich, daß Sie das machen. Da weiß ich das in guten Händen.“

Ich könnte kotzen. In hohem Bogen.

Jahresgespräch heute nachmittag in der Firma. Zunächst mußte ich 10 Minuten auf den Chef warten, der das vorhergehende Gespräch überzog. Ich kann ja meine Unlust optisch auch gut zur Schau stellen, und mir war nicht nach Witzchenreißerei und blöden Spielchen zumute.

Ich habe meinen Unmut geäußert, daß ich mich weder ernst- noch wahrgenommen fühle, sein Desinteresse an meiner Arbeit, meinen Problemen und mir. Er hält dagegen, er hätte sich sehr wohl für mich interessiert, mehr als für andere Kollegen, viele Gespräche geführt, auch mit mir. Das ist gelogen (und das weiß er sicher auch), denn es gab im letzten Jahr lediglich zwei Gespräche zwischen uns, die meine persönliche Entwicklung und Situation betrafen. Ich nehme zwar Medikamente, aber ich bin nicht völlig bescheuert. Er hat mit anderen Kollegen, meinem Teamchef über mich gesprochen, sagt er. Ich halte dagegen, mag sein, aber nicht mit mir. Er kippt alles über den Teamchef ein. Ehrlich gesagt, ist mir mein Teamchef lieber als er zum Reden, aber mir fehlt seine Präsenz, sein Rückfragen, er ist schließlich mein Manager. Die Kritik daran, an seinem Umgang mit den Leuten, indirekt auch an seinem Führungsstil, läßt er nicht gelten. Es werden berufliche Themen besprochen, was nicht geklappt hat, ich erkläre, er nennt es Ausreden, Ausflüchte, mit denen ich mich zu verteidigen suche (was sicher zu einem Teil stimmt, aber wieso rechtfertige ich mich eigentlich?), er meint, er sähe kaum noch Einsatzgebiete für mich. Ich versuche zu erklären, daß ich weiß, daß mir für einige Aufgaben die Erfahrung fehlt, ich hatte Unterstützung angefragt, die nicht gewährt wurde; er meint, deshalb hätte man ja das Projektgeschäft mit mir probieren wollen. Ich sage, daß Projektgeschäft, das er erwarten würde, Beratergeschäft sei und Berater will ich nicht werden. Er begreift es nicht. Er versucht sich als Frauenversteher, meint, ich würde den Job nicht auf die Reihe bekommen und genauso sähe es auch privat bei mir aus. Das war der Moment, wo ich mir mächtig auf die Zunge beißen und mich zwingen mußte, nicht über den Tisch zu springen, um ihm für seine Unverschämtheit eine reinzuhauen. Er kramt alte Geschichten von vor zwei Jahren raus (was mich dran erinnert, mal wieder mit Ex-Kollegen zu telefonieren), kennt die Vorgeschichte in der Firma von mir nicht (er selbst ist erst seit zwei Jahren dabei), aber zieht sie als Aufhänger für meine angeblich schlechte Leistung und Kommunikation heran. Er kapiert nicht, daß man mit dieser Erkrankung nicht mal eben zum Arzt geht, Medikamente bekommt und nimmt, vielleicht eine Auszeit hat und dann zu 120% wieder in den Beruf einsteigt. Er hat sich noch lustig darüber gemacht Anfang letzten Jahres, als ich noch offen damit umgegangen bin und ihm gesagt habe, daß ich Antidepressiva nehme. „Wenn sie gut sind und helfen, bring welche mit, ich will auch welche haben. Ich habe nichts gegen ein bißchen Chemie, wenn sie hilft.“ Idiot. Ich kann krank sein oder zur Reha fahren, soviel ich will: Wenn sich im Umfeld oder bei den Umständen nicht auch etwas ändert, anpaßt oder löst, wird sich für mich nie etwas ändern. Das war dann auch der Moment, in dem für mich feststand, ich muß da so schnell wie möglich raus.

Fazit: Erwartungen nicht erfüllt. Die Themen, die als meine Ziele am Jahresanfang festgelegt wurden, habe ich sehr wohl erfüllt, aber gemessen werde ich offenbar nur daran, was in den letzten 2-3 Monaten des abgelaufenen Jahres gewesen ist. Eigentlich sollte ich es in den letzten 5 Jahren kapiert haben – es zählt nur das, was am Jahresende läuft oder nicht läuft.

Quasi zum Aufmuntern gab’s noch ein „Bonbon“ obendrauf: Trotz beschissener Leistung gibt’s vielleicht ein bißchen mehr Geld. Hossa!

Es wahrlich nicht leicht, für einen Chef zu arbeiten, der alles angräbt und vielleicht sogar erlegt, das bei Drei nicht auf dem Baum ist und in dessen Beuteschema ich so offensichtlich nicht passe, daß er es mich immer wieder spüren läßt. Ich trenne immer schon strikt zwischen Job und Privatem, ich bin kein Freund der bei uns so gängigen Büroehen und -liebschaften. Schmeicheleien und Anbiedern ist nicht mein Ding, um auf der Karriereleiter voranzukommen. Ich will mir morgens immer noch ins Gesicht sehen können.

Traumsequenzen

Herr Paulsen sitzt am Ende einer langen Tafel und tranchiert fachgerecht eine armdicke Stange Lauch (Porree würde der Ostdeutsche in mir jetzt korrigieren), die auf einer Servierplatte neben einer offensichtlich zu trockenen Lende und exotischen Kartoffeln liegt. Zu seiner Linken sitzt seine Liebste, daneben noch jemand, den ich nicht kenne, und meine Wenigkeit. Gespannt schauen wir Herrn Paulsen auf die Finger, der konzentriert und mißtrauisch schneidet. Endlich läuft die perfekte Sauce auf die Platte, Herr Paulsen lacht erleichtert.

„Welch ein Glück, die Sauce ist gelungen, sonst bekämen wir Ärger mit…“

Lu!„, rufen wir alle wie aus einem Mund und lachen herzlich.

 

Das kommt davon, wenn man mit Paulsens Buch zu Bett geht und sich vorher noch durch diverse Rezepte und Foodblogs klickt. Man träumt solchen Kram.

Back on drugs. Über eine Stunde am Donnerstag mit der Ärztin Alternativen diskutiert und wieder verworfen. Zu langwierig, zu aufwendig, zu wenig Aussicht auf schnelle Besserung. Sie sieht mich immer nur alle zwei Wochen, aber sie meint, sie sieht jedes Mal eine deutliche Verschlechterung. Was mir schleichend auffällt, nimmt sie mit Wucht wahr. Und wenn ich mir überlege, wie ich mich fühle und wie der ganze Kram in der Firma gerade läuft ist es wirklich besser, ich bekomme das in den Griff, ohne mich für die allzu sehr angreifbar zu machen.

Der Doc, der das Rezept anschließend ausstellt, ist auch immer sehr rührig. Zuerst ist er flapsig, macht Späßchen, wenn ich dann erzähle, warum ich da bin, was ich will und wie es mir geht, wird er sehr ruhig, redet leise, erklärt, versteht. Das Rezept ist dann nie ein Problem.

Entgegen der Empfehlung werde ich drei Wochen lang die doppelte Dosis nehmen. Sind nur 20mg, aber ich brauche schnell ein hohes Level, um über die Runden zu kommen.

Bis jetzt gehts ganz gut. Ich „merke“ die Lässigkeit meist schon am ersten Tag, arbeite strukturiert, souverän. Mal sehen, wie es wird, wenn der Trubel wieder los geht und alle anderen Kollegen wieder da sind. Aber bis dahin bin ich „auf Level“ und habe vielleicht ein paar ruhige Tage hinter mir.

Zwölf Steine

Ölandsteine sind es, diese rundgeschliffenen, weißen Dinger, die man manchmal an der Ostsee findet. Steine, in die man wunderbar Muster, Figuren, Bilder und Buchstaben gravieren und dann gestalten kann.

Zwölf Steine habe ich mir mitgebracht, als sogenannte Sinnsteine. Jeder ist mit einem Wort versehen, das das Entsprechende geben soll: Kraft, Hoffnung, Geborgenheit, Vertrauen, Energie, Stille, Liebe, Besinnung, Freunde, Zeit, Ruhe, Zuversicht. Es sind alles Dinge, die ich wenig oder gar nicht habe im Moment und für die mir auch gerade die Energie fehlt, sie einzufordern und aufzusammeln.

Es fängt wieder an. Ich kann mir Dinge nicht merken, ich lese Texte und es bleibt doch nichts davon hängen im Kopf. Ich kann mich nicht konzentrieren, weder auf die Arbeit noch auf Freizeitangelegenheiten. Ich schreibe akribisch alles auf und wenn ich genau dieselben Dinge ein paar Tage später erneut tun muss, ist nichts vom vorherigen Ablauf im Kopf übrig. Ich schlafe nachts wie ein Stein, sechs..sieben Stunden lang, aber ausgeruht bin ich am Morgen nicht, sondern fühle mich erschlagen, als hätte ich die Nacht durchgemacht.

Das Experiment „bunte Vögelchen“ ist gescheitert. Man fühlt sich einfach fremdbestimmt unter Psychopharmaka; obwohl.. der Zustand jetzt, vor allem im beruflichen Umfeld, ist kein anderer. Und irgendwie muss das auch anders in den Griff zu bekommen sein, nicht mit Pillen, aber es dauert eben auch länger. Zeit, die ich nicht habe.

Mal sehen, was die Ärztin am Donnerstag dazu sagt. Die Sitzungen bestehen derzeit nur aus Heulerei. E-kel-haft.

Danke, Anke.

(Die Gründe, gerade so und nicht anders aus dem Leben scheiden zu wollen, kann wohl nur annähernd der nachvollziehen, der wenigstens einmal an Depressionen gelitten hat oder leidet. Ich habe noch keinen jammern hören über die, die mit 180 ihre Karre gegen Pfeiler und Leitplanken pfeffern und fremder Menschen Ableben in Kauf nehmen. Für den Rest gilt einfach – Fresse halten.)

Heute war nach langer Abwesenheit wieder mal Gesprächstermin bei der Therapeutin. Irgendwann hatten wir uns auf einen Vormittagstermin geeinigt, im Einklang mit meiner Arbeitszeit. Klappt bisher ganz gut, mal für zwei Stunden aus dem Hamsterrad zu entschwinden.

Die Therapeutin hat ihre Praxis im Süden der Stadt, die Fahrt dorthin kann man über einige Routen machen, ich nehme, wenn ich früher im Büro bin, den 82er Bus. Der Frühtermin hat den Nachteil, daß ab Stadtmitte alles mitfährt, was um 9 beim Arbeitsamt sein muß, Sozialfernsehen von seiner tragischen Seite. Einigen sehe ich es nicht an, daß sie aufs Amt müssen, den meisten aber schon und ich frage mich dann im allgemeinen nicht mehr, warum sie dorthin bestellt werden.

Heute morgen war erstaunlich wenig los auf meiner Fahrt in den Dresdner Süden. Ein paar Omas, ein paar verspätete Schüler, wenige Amtsbesucher. Schräg gegenüber sitzt ein junger Kerl, die Haare kurzgeschoren, einen „Oi!“-Aufnäher auf dem linken Ärmel der Ballonjacke, ein paar Sticker am Kragen, aufgekrempelte Jeans, die obligatorischen Springerstiefel. Alles an ihm schreit seine Gesinnung, das sind Typen, denen ich am liebsten aus dem Weg gehe. Irgendwie wird mir beim Beobachten klar, wo er hinfährt, aber ich versuche noch eine Weile, ihm ein anderes Fahrtziel zu wünschen.

Er steht auf, schnappt seinen Rucksack, geht zur Tür. Die Blase des anderen Ziels platzt. Im Weggehen dreht er mir den rechten Arm zu, auf der Jacke einen Aufnäher „Skinheads gegen Rassismus“. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in schallendes Gelächter ausbrechen soll. Der langhaarige Typ, der vor mir steht, sieht meinen Blick, guckt, sieht mich wieder an und grinst.

Beide verlassen den Bus an der Haltestelle beim Arbeitsamt.

Zwei Sätze, die ich aus den Therapiesitzungen der Reha mitgenommen habe und die mich noch ein wenig länger beschäftigen werden: „Wir suchen uns immer wieder die gleichen Partner mit denselben schlechten Eigenschaften aus.“ und „Männer gehen nur in den seltensten Fällen zum Psychologen; entweder sie machen „Arbeitsplatzkonfliktbewältigung“ oder sie trinken als Ausdruck ihrer ‚Problembewältigung‘.“ Es wird für mich noch ein hartes Stück Arbeit an mir selbst werden.