Warum liest du?

Der geschätzte Herr Rappelsnut hat in seinem Blog ein Bücherstöckchen abgelegt. Irgendwie sind Stöckchen aus der Mode gekommen, das nehme ich mir gerne mal her.

Warum liest du?
Zeitvertreib, Langeweile, Einschlafhilfe, aber hauptsächlich weil ich gern lese. Und weil ich es kann.

Was liest du? Welche Genres bevorzugst du? Liest du auch Klassiker?
Ich habe jahrelang Krimis gemieden, weil ich mit ihnen wenig anfangen konnte. Seit einigen Jahren lese ich die hauptsächlich, neben historischen Romanen, Gegenwartsliteratur, Geschichte. Auch ein paar Klassiker sind dabei, aber eigentlich nur, damit ich mitreden kann: Conan Doyle, Kästner, Shakespeare. Letzterer für die Theaterbildung, es gibt ausgewählte Stücke, die ich fast mitsprechen kann. 😉

Welche Autoren favorisierst du? Oder hast du keine bevorzugten Autoren?

Es gibt wenige Favoriten und die wechseln auch immer wieder mal. Zur Zeit sind es Christoph Hein, Peter Richter, Marc Elsberg. Seit Ewigkeiten gern und immer wieder lese ich die Bücher von Eva Heller, Zoe Beck, Diana Gabaldon und Rebecca Gablé.

Wo liest du überall? Nur Zuhause, nur in der S-Bahn, überall, …?
Zu Hause, auf Reisen, am Strand. Für Autofahrten gibt es Hörbücher.

Liest du viel oder wenig? Wie viel Zeit verbringst du in der Woche mit Lesen? Wie viele Bücher liest du im Schnitt pro Monat/Jahr? Machst du auch längere Lesepausen?
Eigentlich lese ich viel, aber zurzeit gerade zu wenig. Ich beschäftige mich tagsüber zu häufig mit Text, dann fehlt abends die Ruhe dafür. Normal sind bei mir 20-30 Bücher pro Jahr. Lesepausen kommen vor und dauern bei mir dann doch mal ein paar Monate.

Liest du schnell oder langsam? Wie viele Seiten liest du ungefähr in einer Stunde?
Ich lese schnell. Wie schnell ich lese hängt vom Erzählstil im Buch ab, mal schneller, mal langsamer.

Wie viele Bücher liest du in der Regel gleichzeitig?
Drei bis vier.

Welche Formate bevorzugst du? Taschenbücher, gebundene Bücher, broschierte Bücher, Prunkausgaben?
Taschenbücher und Gebundenes. Ich hab auch ein paar Prunkausgaben, aber mehr zum Angucken. Und Broschiertes fällt so leicht auseinander, deshalb lasse ich da eher die Finger weg.

Legst du Wert auf eine hochwertige Verarbeitung deiner Bücher? Spielt die Optik des Buches eine Rolle für dich?
Ja. Ich mag es nicht, wenn beim ersten Anfassen schon Blätter aus dem Buch segeln. Welche Rolle spielt Optik, wenn die Geschichte gut ist?

Liest du auch Ebooks? Wenn ja wie oft und welche Bücher?
Ja, bevorzugt auf Reisen. Am liebsten meine Favoriten und die bevorzugten Genres.

Wo versorgst du dich mit neuen Büchern? Beim Buchhändler ums Eck? In der Bibliothek? Aus dem Bücherbus?
Hauptsächlich auf Buchmessen und über die Verlage. Ansonsten ist jeder Buchladen, den ich mit Geld oder einer Kreditkarte betrete, mein Tod.

Kaufst du auch gebrauchte Bücher?
Ja, wenn es sich um vergriffene Ausgaben handelt.

Wieviel bist du bereit für ein gutes Buch auszugeben?
Die Spanne ist groß. Es gibt sehr gute Bücher von Selfpublishern für kleines Geld, ich lege aber auch schon mal 20..30 Euro für gebundene Ausgaben hin.

Verleihst du Bücher? Wenn ja an wen und welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Innerhalb der Familie bin ich die Bibliothek, die Bücher kommen auch immer wieder. Sehr selten an Kollegen und Freunde: seit ich Bücher nicht mehr wiederbekommen habe, wäge ich genau ab.

Wie viele Bücher hast du im Schnitt auf deinem Stapel ungelesener Bücher? (Alternativ: wie viele Regale ungelesener Bücher hast du?)
Ich habe zwei Regale voller ungelesener Bücher. Das dürften so etwa 200 Bücher sein.

Wo bei dir Zuhause hast du überall Bücher?
Kochbücher in der Küche, die meisten sind im Wohnzimmer. Der Rest ist im Schlafzimmer.

Wie sortierst du deine Bücher im Regal?
Alphabetisch nach Autor*in.

Was nutzt du als Lesezeichen? Oder knickst du die Seiten ein?
Lesezeichen, ich habe Stapel davon. Ansonsten Lesebändchen, wenn vorhanden. Geknickt wird auf keinen Fall.

Wenn du mit dem Lesen pausierst, liest du dann das Kapitel immer zu Ende oder hörst du auch mal mittendrin auf?
Ich höre auch mittendrin auf.

Worauf achtest du beim Kauf eines Buchs? Was für Kriterien muss ein Buch erfüllen, damit du es dir kaufst? Spielt der Verlag eine Rolle?
Ich will es lesen wollen oder das Thema interessiert mich. Der Verlag spielt kaum eine Rolle bei der Auswahl, aber ich hab so meine Lieblinge.

Wirfst du Bücher in den Müll?
Um Gottes Willen, nein!

Wie belesen ist dein Bekannten- und Freundeskreis? Kennst du Menschen, die kein Buch besitzen?
Es gibt Menschen, die keine Bücher besitzen? Nicht in meinem Freundes- und Bekanntenkreis.

Was für eine Rolle spielen Bücher in deinem Berufsleben?
Keine.

Brichst du Bücher ab, wenn dir der Inhalt nicht zusagt?
Ja. Das Leben ist zu kurz, um sich über ein seltsames Buch zu ärgern.

Bittet man dich im Freundes- und Bekanntenkreis um Buchtipps?
Kommt vor, ja.

Wenn deine Bücher plötzlich alle verloren gehen (z.B. Feuer, Hochwasser, böse Fee, …), welche drei Bücher würdest du dir sofort neu bestellen?
Matt Ruff „G.A.S.„, Marc Elsberg „Blackout“, Wolfgang Herrndorf „Arbeit und Struktur“. Warum eigentlich nur drei?!

Gehören ein Heißgetränk und Kekse zum Leseabend?
Nicht zwingend, aber es liest sich entspannter mit Getränk.

Hörst du während des Lesens Musik, oder muss bei dir völlige Stille herrschen?
Ich habe Musik im Ohr, wenn ich im Zug oder Flugzeug sitze, weil mich das Gequatsche drumrum irre macht. Zu Hause geht Lesen auch gut ohne Musik.

Liest du Bücher mehrmals? Wenn ja welche und warum?
Einige Bücher lese ich mehrmals, allerdings mit einigen Jahren Abstand dazwischen. Eva Heller „Der Mann, der’s wert ist“ wird immer mal wieder gelesen, weil ich mir das Hotel immer wieder anders vorstellen kann (der Heldin wollte ich an einer Stelle aber immer wieder eine reinhauen, das änderte sich nie). „Der Baader Meinhof Komplex“ von Stefan Aust habe ich bestimmt schon dreimal gelesen, weil ich mich mit dem Thema Terror in Deutschland und den Wurzeln der RAF immer mal wieder auseinandersetze.

Markierst du dir Stellen in einem Buch? Wenn ja wie?
Mit diesen Post-It Indexstreifen. Oder ich mache eine Notiz in der Kladde fürs Blog.

Und wie lest ihr?

 

 

(Rezension) Joakim Zander – Der Schwimmer

Damaskus: Das Kind in seinen Armen hat hohes Fieber, atmet kaum noch. Im nächsten Moment explodiert eine Bombe: Die Frau, die er liebt, stirbt. Doch der Anschlag galt ihm. Dem amerikanischen Agenten.
Brüssel: Im Haifischbecken der Politiker und Lobbyisten bewegt sich EU-Referentin Klara Walldéen mühelos. Doch dann begegnet die junge Schwedin Mahmoud wieder, einem erfolgreichen Politologen, ihrer großen Liebe. Er besitzt Informationen, die seinen Tod bedeuten können. Und auch Klaras.
Arkösund & Schären: Ihr Fluchtpunkt. Hier ist Klara aufgewachsen. Hier gibt es Menschen, so rau wie die Natur. Auf die Verlass ist. Ganz gleich, wie hoch die Wellen schlagen.
Langley: Der amerikanische Agent ist der Einzige, der Klara retten kann. Ein Mann, der bei seinen Einsätzen alles vergessen wollte: Die Vergangenheit. Die Schuld. Sein Kind, das er nie wieder gesehen hat. Und der nur an einem Ort Ruhe findet. Im Wasser. Während er seine Bahnen schwimmt. Zug um Zug.

Im Urlaub fand ich diesen Krimi im Bücherschrank des Hotels zwischen all den üblichen leichten Ferienromanen. Welch ein Glück! Das Buch hat genau die richtige Spannung, um es in einem Rutsch durchlesen zu wollen und bei dem man sich auf der letzten Seite fragt, warum es denn schon zuende ist. Dieser Krimi hat meine letzten beiden Tage im Urlaub gerettet, als ich plötzlich „out of books“ war!

PS: Zum Glück gibt’s eine Fortsetzung, die ich allerdings noch lesen muss.

Joakim Zander „Der Schwimmer“, ISBN 978-3499268885, erschienen bei Rowohlt Taschenbuch Verlag

(Rezension) Andre Georgi – Tribunal

„Den Haag: Kovac, ehemaliger Kommandant einer Elitetruppe der serbischen Armee, ist wegen Massenmordes angeklagt. Jasna Brandic, Topermittlerin einer internationalen Spezialeinheit, hat endlich einen Kronzeugen aufgespürt, der Kovac‘ Schuld eindeutig belegen kann. Am Tag der Verhandlung bringt ein Attentat alles zum Scheitern. Jasna steht vor einem Scherbenhaufen. Da erreicht sie die Nachricht, dass jemand aus Kovac‘ engstem Kreis bereit ist, gegen seinen ehemaligen Weggefährten auszusagen – vorausgesetzt, Jasna schafft es, ihn lebend aus Serbien herauszubekommen.“

Nach Bottinis „Der kalte Traum“ wollte ich weitere Romane lesen, die sich mit dem Balkankrieg Anfang der Neunziger Jahre beschäftigen. Georgis „Tribunal“ wurde mir von den netten Büchermenschen im Dresdner „Büchers Best“ empfohlen und ich wurde nicht enttäuscht. Das Buch hat alles, was man sich von einem Krimi erwartet: Spannung, politische Verstrickungen, Einblicke in diesen Teil der neueren Geschichte, rasante Wendungen, einen undurchsichtigen Protagonisten und eine getriebene Heldin, die alles daran setzt, um ihr ehrgeiziges und gefährliches Ziel zu erreichen. Sehr lesenswert!

Andre Georgi „Tribunal“, ISBN 978-3-518-46594-3, erschienen bei Suhrkamp

(Rezension) Christoph Hein – Glückskind mit Vater

Christoph Heins „Glückskind mit Vater“ lief mir zuerst in der Hörfassung über den Weg: auf den täglichen Fahrten zur Leipziger Buchmesse im Frühjahr bekam ich nur einige Folgen im Autoradio mit. Ich war so fasziniert von der Geschichte des Mannes, der sich seine Lebensgeschichte zu Beginn seines Ruhestandes quasi aus der Seele schreibt, dass ich das Buch unbedingt lesen wollte.

Geboren kurz nach Kriegsende lernt der Protagonist seinen Vater nie kennen; er sei im Krieg gefallen, heisst es. Nach und nach kommt die Wahrheit ans Licht: der Vater war Unternehmer, wohlhabend, verdiente am Krieg. Auf der Flucht von der Ostfront wurde er aufgegriffen, verurteilt, hingerichtet. Die Mutter ahnte wohl etwas, versuchte am Ende aber nur zu überleben und ihre beiden Kinder durchzubringen. Sein ganzes Leben verbringt der Protagonist im Schatten seines Vaters: seine Mutter muss Putzen gehen, sie ändert ihren Namen und den der Kinder in ihren Mädchennamen, ihm selbst wird später die weiterführende Schule verwehrt. Er flieht nach Frankreich, um Fremdenlegionär zu werden, arbeitet dann jedoch für drei Unternehmer und schliesst die Schule ab. Kurz vor dem Mauerbau kehrt er zurück in die DDR, darf dort dann weder Abitur machen noch studieren, wegen „seiner Vergangenheit“. Trotzdem schafft es das Glückskind in den Schuldienst, wird in der späten DDR fast sogar Rektor einer Oberschule. Aber eben nur fast.

Christoph Hein war mir bis dahin noch nie in Buchform über den Weg gelaufen. Normalerweise habe ich so meine Probleme mit Ich-Erzählern, diese Geschichte mochte ich jedoch sehr. Die Geschichte des Glückskindes ist  aus meiner Sicht ohne Bitterkeit, ohne Vorwürfe erzählt, ein schlichtes Beschreiben eines Lebens mit all seinen Facetten, hoch wie tief. Nur manchmal klang Wehmut heraus, Bedauern, ob man einiges nicht anders hätte machen können. Deutsche Geschichte kommt überhaupt nicht zu kurz, weder verklärt noch hochgejubelt für die eine oder andere Seite, es war eben so wie es passiert ist.

Mir gefiel das Fehlen von Kapitelaufteilungen im Buch, der nicht vorhandene exakte Verweis auf geschichtsträchtige Daten. Man wusste immer, wann man war. Hein schreibt geschichtlich fundiert und mitreißend, bleibt dabei aber völlig unaufgeregt. „Glückskind mit Vater“ war das erste Buch nach meiner OP, das ich wieder in Gänze gelesen habe, auch wenn ich dafür vier Wochen gebraucht habe. Seitdem kehren Christoph Heins Bücher immer wieder auf meinen StUB zurück.

Christoph Hein „Glückskind mit Vater“, ISBN 978-3518425176, erschienen bei Suhrkamp

Befindlichkeitspost

Irgendwie dachte ich Ende letzten Jahres noch: ‚ Cool! Im Februar hast du deine Knie-OP, danach Reha und Zeug, endlich wieder richtig Zeit und Muse, um stapelweise Bücher zu lesen.‘ Aber erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

Im Krankenhaus hatte ich keinen Nerv, irgendein Buch anzufassen. Die ersten Tage grunzt man das Anästhetikum aus, dauernd kommt wer und fragt nach dem Befinden, alle fünf Stunden Schmerztropf wechseln, Gehtraining ist auch noch und dann hatte ich an diesem stürmischen und verregneten Samstagabend einen fetten Depri-Schub. Da passte so gar kein Buch rein. Bei der anschließenden Reha waren die Tage gefüllt mit Behandlungen, langen Wegen und manchmal recht nervenden Mitpatienten. Irgendwie war ich froh, nach drei Wochen wieder nach Hause zu können, auch wenn die Klinik wirklich gut war, was die Nachsorge anging. Das Drumherum ging mir auf die Nerven, Menschen halt.

Wieder zuhause ging es weiter: teilweise drei Termine am Tag – Rehasport, Physio, Bewegungstherapie im Wasser, ärztliche Nachsorge. Ich habe anfangs viel geschlafen wieder zu Hause (das Bett in der Rehaklinik war eine Katastrophe), aber ein Buch habe ich nicht wirklich in der Hand gehabt. Ich habe mich irgendwann im Mai/Juni regelrecht gezwungen ein Buch zu lesen, allerdings brauchte ich dafür gut vier Wochen. Und ich mochte dieses Buch!

Im Juni begann der erste Versuch der Wiedereingliederung, den ich abbrechen musste. Zuviel auf einmal gewollt, auch wenn ich nur zwei Tage pro Woche, dann aber gleich Vollzeit kommen wollte. Dazu noch die Arzt- und Sporttermine, zurück zu „anfangs viel geschlafen zu Hause“, denn ich war permanent müde. Und wenn ich nur müde bin, bleibt auch von Büchern nix hängen bei mir.

Richtig viel gelesen habe ich dann erst im Urlaub jetzt im September wieder. Zwei Wochen Teneriffa, vier Bücher. Und über die schreibe ich dann gleich noch was.

Lesen ist so eine Sache. Es gibt Monate, da lese ich keine einzige Seite in meiner Freizeit. Der sanfte Druck mancher Verlage hilft da auch nicht unbedingt mich zu motivieren, wieder ein Buch anzufassen. Ich bin sehr dankbar, dass ich im März schon wieder so fit war, um in Leipzig die Buchmesse zu besuchen, nette Autoren und Verlagsmitarbeiter zu treffen und ein paar Bücher einzusammeln. Wir waren in der ausklingenden Theatersaison noch einige Male im Staatsschauspiel, um uns ein paar wichtige Stücke anzusehen, denn mit dem Intendantenwechsel gingen auch Schauspieler, Dramaturgen, Regisseure und Stücke, die uns echt ans Herz gewachsen waren. Den Rest muss ich jetzt irgendwie abfackeln.

Denn ich habe wieder Lust zu lesen.

(Rezension) Ferdinand von Schirach – Terror

Ein Terrorist kapert eine Passagiermaschine und zwingt die Piloten, Kurs auf ein voll besetztes Fußballstadion zu nehmen. Gegen den Befehl seiner Vorgesetzten schießt ein Kampfpilot der Luftwaffe das Flugzeug in letzter Minute ab, alle Passagiere sterben. Der Pilot muss sich vor Gericht für sein Handeln verantworten. Seine Richter sind die Theaterbesucher, sie müssen über Schuld oder Unschuld urteilen.

Wieviel ist ein Menschenleben wert? Ist es gerechtfertigt, einige Menschen zu opfern, um das Leben vieler zu retten? Entscheiden wir uns für Freiheit oder Sicherheit in der Zukunft? Mit diesen Fragen wird der Major der Luftwaffe bei seiner Verhandlung immer wieder konfrontiert. Das Gesetz gibt eine eindeutige Aussage und doch hat der Major gegen Befehl und Gesetz gehandelt. Was hat ihn bewegt? Würde er immer wieder so handeln, auch wenn sich einige Rahmenbedingungen ändern? Diesen Fragen geht von Schirach in seinem Theaterstück nach, am Ende stehen zwei Möglichkeiten des Ausgangs der Verhandlung, die Theaterbesucher werden entscheiden. Und wozu tendiert die geneigte Leserin, Verurteilung oder Freispruch? „Terror“ regt auf jeden Fall zum Nachdenken an, wie wir in Zukunft leben wollen und werden; eine eindeutige Positionierung zu diesem hochaktuellen Thema war für mich jedoch nicht möglich.

„Terror“ wird gerade am Staatsschauspiel Dresden von Burghart Klaußner inszeniert, Premiere ist am 28. Januar 2016. Die Begleitung und ich werden zur letzten öffentlichen Probe am 26. Januar im Theater sein. Wir sind sehr gespannt!

 

Ferdinand von Schirach „Terror“, ISBN 978-3-49205-696-0, erschienen im Piper Verlag

(Rezension) Dave Eggers – Der Circle

Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen der begehrten Jobs beim „Circle“ bekommen, der hippsten Firma der Welt. „Circle“, DER Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz – so ein Ziel der »weisen drei Männer«, die den Konzern leiten – wird die Welt eine bessere. Mae stürzt sich voller Begeisterung in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterne-Köche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren, wo internationale Popstars Gratis-Konzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze. Doch eine Begegnung mit einem mysteriösen Kollegen ändert alles.

Ach ja? Ist diese transparente Welt wirklich das Nonplusultra in der Zukunft? Ich musste das Buch nach knapp 150 Seiten weglegen, weil mir dieses heile New-Economy-Gelaber so mörderisch auf den Senkel ging. Gratisessen von Sterneköchen, Campuskonzerte berühmter Bands und MusikerInnen; du brauchst Klamotten: geh hin und nimm dir, was du brauchst, das Zeug ist noch nicht mal auf dem Markt. Jedem rational denkenden Menschen sollte an der Stelle klar werden, dass diese Art Gratiskultur ihren Preis haben wird. Das absurde Anzählen Maes durch ihre Chefs wegen Nichtigkeiten, die Oberflächlichkeit im Umgang miteinander – all das machte das Buch für mich mehr und mehr unerträglich. Sind wir wirklich bereit, für ein bisschen was edles zu essen und ein paar hippe Klamotten unsere Selbstbestimmung aufzugeben? Ich wäre es nicht.

 

Dave Eggers, „The Circle“, ISBN-10: 3462048546, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch (KiWi-Taschenbuch)

(Rezension) Jan Flieger – Der Sog

Den Roman „Der Sog“, geschrieben in den 80er Jahren in der DDR, jetzt noch einmal zu lesen, das war für mich eine spannende Herausforderung. Würde ich das Thema Neuererwesen noch verstehen, über 25 Jahre nach dem Ende der DDR? Es war leichter als ich dachte, denn vieles funktionierte in der DDR genau so wie Flieger es beschrieben hat. Gibst du mir, dann helfe ich dir. Bennewitz, der zunächst von Zweifeln geplagt ist, gerät immer mehr in den Strudel der Betrügereien in seinem Betrieb, er und seine Frau genießen jedoch gern die Vorzüge, die ihnen das ergaunerte Geld beschert. Als er eine junge Kollegin kennenlernt, will er sich von seiner Frau trennen, doch die erpresst ihn mit ihrem Wissen. Bennewitz sucht einen verzweifelten Ausweg.

Jan Flieger ist es gelungen, den Ausgang des Romans so zu schreiben, dass man am Ende gut zweifeln kann, ob Bennewitz seine Frau umgebracht hat oder nicht. Mit dieser Finte ist es ihm damals gelungen, der Zensur zu entgehen; heute kann man das Ende wunderbar interpretieren. „Der Sog“ ist ein kleines, feines Meisterwerk der Kriminalliteratur.

 

Jan Flieger „Der Sog – ein tödliches Ultimatum“, ISBN 978-3-942829-55-7, erschienen im fhl Verlag

(Rezension) Ingrid Noll – Der Mittagstisch

Nelly, Mitte dreißig, alleinerziehend, wird von Matthew abserviert. Nun tischt sie für zahlende Mittagsgäste auf, darunter verschiedene Männer: vom ungewöhnlichen Kapitän bis hin zu einem ebenso hübschen wie patenten Elektriker. Leider ist er in Begleitung. Doch die hat eine Erdnussallergie.

Keine Ahnung, warum ich Ingrid Noll so lange nicht gelesen habe. „Der Mittagstisch“ ist ein herrlich komischer, verstrickter Krimi, der nie langweilig wird und durch einige Wendungen immer wieder überrascht. Notiz an mich: mehr Ingrid Noll lesen. Ich hoffe, die Grand Dame der Krimiliteratur bleibt uns noch sehr lange erhalten.

 

Ingrid Noll, „Der Mittagstisch“, ISBN 978-3-257-06954-9, erschienen im Diogenes Verlag.

 

(Rezension) Bov Bjerg – Auerhaus

Sechs Freunde und ein Versprechen: Ihr Leben soll nicht in Ordnern mit der Aufschrift Birth – School – Work – Death abgeheftet werden. Deshalb ziehen sie gemeinsam ins Auerhaus. Eine Schüler-WG auf dem Dorf – unerhört. Aber sie wollen nicht nur ihr Leben retten, sondern vor allem das ihres besten Freundes Frieder. Denn der ist sich nicht so sicher, warum er überhaupt leben soll.

6 Freunde werden erwachsen und suchen ihren Platz im weiteren Leben. Was zunächst wie ein Jugendroman klingt, war für mich auch ein kleiner Rückblick in das Aufwachsen in den 80er Jahren. Die Gruppe von Freunden, die sich um einen der ihren schart, um ihn zu beschützen, vielleicht auch zu retten, die alles Verbotene irgendwann ausprobiert: ein bisschen fand ich mich an meine eigene Jugend erinnert. Das längst nicht alles so leicht war wie man es aus heutiger Sicht gern sieht, auch davon erzählt „Auerhaus“. Bov Bjerg schreibt ohne Knalleffekte, sondern mit feinen, leisen, doch deutlichen Tönen, die ein bisschen Wehmut erzeugen,  aber die gute Erinnerung wachrufen an viele komische Gefährten, die man selbst in dem Alter hatte.

 

Bov Bjerg, „Auerhaus“, ISBN 978-3-351-05023-8, erschienen im Blumenbar Verlag