Ottokar Domma – Der brave Schüler Ottokar

Ich weiß nicht mehr, ob wir „Der brave Schüler Ottokar“ von Ottokar Domma in der Schule lesen mußten oder ob ich mir irgendwann mal das Buch über den Bibliotheksausweis meiner Mutter geliehen hatte. Das Buch war auf jeden Fall ein großer Lesespaß und es gibt Passagen, die kann ich heute noch aufsagen. Domma erzählt Erlebnisse aus dem Leben eines Schülers in der DDR in Ich-Form (damit habe ich normalerweise so meine Probleme, aber in dem Fall gehts).

Im Frühjahr sah ich eine Ausgabe mit zwei der Ottokar-Romane in einem Dresdner Antiquariat und konnte natürlich nicht ohne dieses Buch wieder gehen. Vor zwei Wochen habe ich es erst wieder aus den Kisten ausgepackt (nachdem endlich die Bücherregale geliefert waren), vor einer Woche habe ich es dann aus dem Regal gezerrt und angefangen zu lesen.

Was soll ich sagen – es ist immer noch ein großer Spaß. Als es den Begriff Kevinismus noch nicht gab, wurde das Phänomen der exotischen Namensgebung von Kindern von Domma wie folgt beschrieben:

„Die neuen Vornamen entstehen meistens so: Wenn zum Beispiel ein Film gezeigt wird mit einer sehr schönen Geliebten oder einem tapferen Helden, dann heißen plötzlich einige Monate später viele Neugeborene Juanitta Meier oder Robin Schulze oder Scheraa Paschke oder Fernandel Müller oder Hiob Lehmann.

Auch ist mir aufgefallen, daß es sehr modern ist, wenn man den neugeborenen Säuglingen einen Namen aus einem anderen Lande gibt, damit die Leute denken, der Säugling hat in einem fernen Land das Licht der Poliklinik erblickt, oder er hat einen seltenen nichteinheimischen Vater. Deshalb muß man sich nicht wundern, wenn plötzlich eine Natascha Grün oder eine Beß Knautschke oder ein Guiseppe Lemke des Wegs kommt. Dagegen hört man seltener, daß jemand bei den anderen Völkern Fritz Gagarin oder Frieda Robespierre oder Hans-Dieter Beatle heißt. Ich denke mir, daß wir auch ganz schöne Vornamen haben, und man muß nicht gleich welche in Brasilien oder auf dem Nordpol suchen. Wenn ein Berliner Sohn jetzt Jean Meixner heißt, so bleibt er trotzdem ein Berliner und kein Pariser oder Verduner.“

Es ist ein einzigartiger Lesespaß, unbedingt und vermutlich auch für diejenigen, die nicht in der DDR groß geworden sind. Ich habe hier eine Ausgabe aus dem Eulenspiegel Verlag Berlin, 3. Auflage 1975 (1972). Kann man auch bei Amazon gebraucht kaufen oder eben in einem Antiquariat „erlegen“.

Kevin-Lukas wird Chef

„.. So zeigt sich der Berliner Verlag Frieling von der literarisch schaurigen Werkprobe „sehr angetan“ – wegen „der Eindringlichkeit ihrer Darstellung und Ihrer Sprachgestaltung“. …“

Wie wenig Literaturanspruch sogenannte Zuschussverlage haben, bewiesen die 42er Autoren mit ihrer abgefahrenen Geschichte über Kevin-Lukas (!). Die Blamage der Verlage ist selbst durch ihre Ausreden nicht wirklich zu retten; alle hätten diesen Unfug gedruckt, wenn der Autor die geforderte Kohle gezahlt hätte. Via Isa ihr Blog.

(Kleiner, gehässiger Nachtrag: Ein Mitpatient in der Reha, der sich viel und gern als „Autor“ bezeichnete, hat vor einigen Jahren beim novum-Verlag einen Gedichtband veröffentlicht (furchtbares Zeug, meiner Meinung nach). Ich liege grad mit vor Lachen schmerzendem Bauch flach.)

„Eines der mich immer wieder verblüffenden Phänomene der sozialen Welt ist die Tatsache, dass wir eine Neigung haben, Arschlöchern ihr Verhalten nachzusehen. Das geht nicht selten so weit, dass wir Partei für sie ergreifen und manchmal sogar ihr Verhalten rechtfertigen mit der Absicht, Arschlochhaftigkeit als Großherzigkeit, Verzweiflung, Milde, Weitsicht oder Verantwortungsbewusstsein darzustellen. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist allerdings, dass es dem Arschloch gelingt, uns einen Teil “seiner Geschichte” zu präsentieren, uns sozusagen hermeneutisch zu disponieren, Solidarität, “Verstehen”, Empathie zu wecken und uns den einen oder anderen “Beweis” seiner Zivilität, seiner Geduld, seiner Selbstbeherrschung zu liefern bzw. uns das glauben zu machen. Diese beiden Faktoren können die Arschlochhaftigkeit seiner Handlung in unseren Augen ganz erheblich reduzieren oder sogar zum Verschwinden bringen: …“

Herr Dings, dieses Dings ist… äh.. großartig. Danke dafür.

(Edit: Wieso gibts dazu eigentlich zwei Postings auf Ihrer Seite, eins mit, eins ohne Grafik?)

Dies und das

Ich habe heute, glaube ich, im Büro mehr Zeit mit Aus-dem-Fenster-gucken verbracht als alles andere. Gestern konnten wir zugucken, wie die Bagger eine Art Podest für den Abrißarm aus dem Schutt geschaufelt haben, zwischendurch immer mal wieder ein Versuch, ob der Arm an die oberen Balken reicht. Reichte eine Weile nicht, heute morgen die letzten Schaufeleien, dann gings los. Am spannendsten war wohl zu sehen, mit welcher Leichtigkeit so ein Ding Stahlträger verbiegen und aus den Wänden fetzen kann. Ich mußte mir oft „Dach fällt!“ oder „Achtung, Träger!“ verkneifen. So langsam verstehe ich den Berufswunsch Baggerfahrer von manchem kleinen Jungen.

***

Normalerweise fremdschäme ich mich ja für Mitmenschen, die sich über Nichtigkeiten aufregen und sich gern bei Oberen beschweren. Gestern war bei mir aber doch mal das Level erreicht. Ich hatte gestern morgen in meinem Bus eine Tasche liegenlassen, den Verlust aber noch bemerkt. Ich steige an der Endhaltestelle aus, die Fahrer lösen sich ab und fahren dann in die Wartebucht bis zur nächsten Runde. Ich tapere also bei strömendem Regen diesem dämlichen Bus hinterher, als ich ihn erreiche, macht der Fahrer erstmal die Tür zu. Ich stehe also blöd vor der verschlossenen Bustür, bis der Fahrer sich bequemt, die Tür doch zu öffnen und mich anblafft, daß das keine Haltestelle sei, bevor ich überhaupt einen Ton gesagt habe. Schwerer Fehler Nr. 1, aber ich bin weiter freundlich. Ich trage mein Anliegen vor, er läßt mich in den Bus und ich darf meine Tasche holen. Als ich einsteige, steht der abgelöste Fahrer IM Bus und zieht genüsslich an seiner Zigarette. Wohlgemerkt, die Türen waren vorher zu. Ich bedanke mich, daß ich meine Tasche holen konnte und laufe los in Richtung Büro, ärgere mich dabei über den rauchenden Busfahrer. Gut, es schüttet wie aus Eimern, aber das ist kein Grund, in den Öffentlichen zu rauchen. Es sind fünf Minuten, auf dem Weg liegt das Kundenzentrum der DVB. Gehe ich meckern oder lasse ich es sein? Erst vor der Tür entscheide ich für meckern und trage mein Anliegen der Dame im Kundenzentrum vor. Sie notiert meinen Namen und Telefonnummer, sagt mir auch sofort, daß das den Fahrern nicht gestattet sei, in den Bussen zu rauchen. Ich habe es auch schon anders erlebt; daß sich die Fahrer über die neueste Unsitte von Fahrgästen beschweren – vorm Einsteigen nochmal an der Kippe ziehen, Zigarette wegwerfen, einsteigen und dann erst den Rauch ausatmen, nämlich in den Bus. E-KEL-HAFT!!

Heute vormittag ruft mich der Fahrdienstleiter der DVB an und entschuldigt sich bei mir für das Fehlverhalten des Busfahrers. Sie hätten mit ihm gesprochen, ihn ermahnt und die anderen Busfahrer belehrt. Es folgt noch eine Reihe von „Hinweisen“, wie sie Beschwerden nachgehen, daß bei groben Verstößen sogar arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen und was weiß ich alles. Ich nehme die Entschuldigung dankend an, hoffe für den armen Busfahrer, daß sie ihm nicht die Hölle heißgemacht haben. Aber es zeigt auch, daß sie an ihrem Service arbeiten, wenn das nicht unbedingt zur Folge hat, daß die Busse hier raus öfter fahren. Aber man kann auch nicht immer alles haben. 🙂

***

Ich lache immer noch: Nachdem mir der Fotokollege gestern ein paar Sachen in Photoshop gezeigt und mir über Nacht seine Bücher ausgeliehen hat, habe ich heute beschlossen, die entsprechende Literatur selbst zu erwerben. Addison-Wesley ist ja immer kostspielige Fachliteratur, aber ich muß endlich mal anfangen, mich mit Bildbearbeitung zu beschäftigen. Gehe ich eben nach Feierabend los in das größte Buchgeschäft Dresdens und finde auch gleich die gesuchten Bücher. Es gibt sogar ein Bundle, 2 zum reduzierten Preis. Einzeln kosten die Bücher 40 und 50 EUR, als Paket knapp 80 EUR. Mit zwei Fotobänden und diesem Paket unterm Arm gehe ich zur Kasse, die Buchhändlerin scannt alles, sagt mir einen Preis, ich stutze kurz und zücke meine Karte. Bezahlen, unterschreiben, sie packt ein, ich nehme die Tüten und schaue erst in der Bahn auf den Beleg. Sie hat den falschen Preis über den Scanner gezogen und nicht kontrolliert; statt knapp 80 EUR stehen knapp 40 EUR auf dem Kassenzettel. Schnäppchen gemacht, Thalia.

***

Eine Nebenwirkung der Medis ist das Vergesslichwerden. Ich hoffe, das gibt sich wieder, wenn ich das Zeug in ca. viereinhalb Monaten wieder absetzen kann, aber im Moment geht es mir grad ein wenig auf den Zeiger. Für Dinge, die ich erledigen muss oder soll, kann ich mir Zettel schreiben, aber was mache ich mit Erlebnissen und Geschichten, die ich erzählt bekomme? Aufschreiben? Ächz. Aber Gelassenheit ist gut, die bekommt mir gut mit diesen Dingern. Ich habe mich jahrelang nicht in Schwimmhallen getraut, inzwischen ist mir das, was andere über mich denken, grad sowas von egal. Ich will schwimmen und nur das zählt im Moment. Weil es einfach zuviel Spaß macht. Salzwasser, schnorcheln und dabei Fischen und Schildkröten zugucken wäre zwar besser, aber man kann nicht immer alles auf einmal haben. Und die Schildis besuche ich auch wieder, keine Frage. Katharina wartet schon auf mich.

***

„… es geht mir viel zu gut und was bitte, was soll ich darüber schreiben? mit dem eigenen glück muss man sich immer ein bisschen zurückhalten, da geht man anderen schnell auf den sack. …“

Besser als coolcat kann ich es nicht sagen. Die Lebensgeschichte ist verschieden, die Erlebnisse nicht unterschiedlicher als zu anderen Menschen, aber die Gedanken, die sind irgendwie grad die gleichen. Was soll ich schreiben, wenn es mir eigentlich ganz gut geht?