Technikkram

In dieser Woche sitze ich in einer Datenbankschulung, mache mich vertraut mit dem nunmehr dritten von vier bei uns eingesetzten Datenbankherstellern. Spannendes Ding, egal, wie der Name lautet.

Heute ging es um den Aufbau und Betrieb der Logbereiche der Datenbanken. Jeder Anbieter hat ja da auch so sein eigenes Konzept. Faszinierend finde ich dabei immer die schematischen Darstellungen; Tonnen, Platten, Container, um die Funktionsweisen verdeutlichen zu können. So wie auf der vom Trainer angefertigten Zeichnung.

Ein Langläufer schreibt in ein Logfile, ein zweiter Job schreibt Daten dazu usw., usf., und zwar so lange, bis der Logbereich voll ist. Zwischendurch werden Daten, Inhalte weggesichert, Bereiche wieder freigegeben, auch usw., usf. Irgendwann geht das System her und fängt mit der Schreiberei wieder von vorn an.

Kopfkino: Da rennen Trilliarden von Männchen rum, holen kleine Pakete voller Daten am Punkt A ab, tragen sie nach Punkt C und lassen die Wegbeschreibung bei Punkt B liegen. Weitere Trilliarden Männchen holen die Wegbeschreibungen am Punkt B ab und schaufeln sie nach Punkt D. Und so weiter. Wenn der Platz bei Punkt B voll ist, geht es an Punkt E weiter, bis dieser voll ist, und so weiter, bis die festgelegten Punkte belegt sind. Alles, was an Punkt D abgelegt wurde, zerfällt nach einer festgelegten Zeitspanne zu Datenstaub und verschwindet im digitalen Nirvana. Diese Trilliarden von Trilliarden Männchen sind ständig in Bewegung, zwängen sich durch Leitungen, zu Servern, über Festplatten. Hübsche Vorstellung, die mir sehr, sehr gefällt.

Von all dem Kopfkino bleibt am Ende nur das leise Surren der Leseköpfe über den Platten übrig, die sich mit affenartiger Geschwindigkeit hin und her bewegen, um Daten zu lesen und zu schreiben. Und das Kreischen der Lüfter, die den emsigen Massen Luft zufächeln.

Ich spreche fließend Sarkastisch

Berater so: „Woran erkenne ich, ob ein Parameter dynamisch ist?“

Ich so: „Das siehst du z.B. in der RZ11.“

Berater so: „Da steh ich drin.“

Ich so: „Und? Ist der Haken bei ‚dynamisch umschaltbar‘ gesetzt?“

Berater so: „Nein?“

Ich so: „Dann ist er wohl nicht dynamisch schaltbar.“

 

2 Minuten später.

 

Berater so: „Der Parameter xyz, der sorgt doch dafür, ob man sich mehrfach am System anmelden kann oder nicht?“

Kollege so: „RTFM.“

Berater so: „Was?“

Ich so: „Read The Fucking Manual.“

 

Ich kapiere es nicht. Berater verdient ein vielfaches meines Gehalts, sollte die Grundlagen eigentlich wissen. Irgendwas mache ich vermutlich verkehrt.

Kundenkontakt ruft gestern an und fragt nach Mandantenkopien. Der Kollege erklärt dem Kundenkontakt zum x-ten Mal, was er dafür tun muß, damit wir den Auftrag ausführen. Kundenkontakt freudig „Dann mach ich das so.“ und legt auf.

Heute morgen als erstes Check im Ticketsystem – Auftrag ist nicht eingegangen. Hm, denke ich, wird der Mensch dann wohl im Laufe des Tages noch beauftragen. Gegen Mittag ein Anruf eines externen Beraters des Kunden, mit dem wir bisher nur über die Grobplanung eines anstehenden Upgrades gesprochen haben. Er will die besprochenen Aufträge erteilen und bespricht mit mir die technischen Einzelheiten. Mein erster Gedanke – „WTF?! Wieso will mir ein Externer Kundenaufträge erteilen?“. Ah, der Kundenkontakt hat sich letzte Nacht ins Flugzeug in den Urlaub gesetzt. Schön für ihn. Und jetzt soll ich ein System überschreiben, weil irgendwer anruft und das so haben will? Aha. Außerdem geht es dabei auch um Geld, weil Zusatzaufwände nun mal kosten.

Wir hatten im vergangenen Jahr schon einmal mit genau diesem Kunden Diskussionen um fakturierte Leistungen, die er zuerst nicht zahlen wollte, dann aber einsah, daß der Vertrag so geschlossen wurde und die Leistungen erbracht worden sind, nachdem der Auftrag erteilt wurde. Unser Servicemanager und ich waren darin der gleichen Meinung, uns die Bestätigung vom Kunden zu holen, daß der externe Berater dort im Auftrag des Kunden handeln und beauftragen darf. Und diesen Externen kannte ich bis dahin nicht.

Manchmal weiß ich wirklich nicht, was sich manche denken. Ja, wir behandeln unsere Kunden bevorzugt und mit dem bestmöglichen an Service, den wir geben können. Aber wir sind keine eierlegende Wollmilchsau, die sich auch noch über Regeln und Verträge hinwegsetzt. Und die sehen nun mal namentlich benannte Kundenkontakte vor.

Neues Jahr, neue Firma. Dabei habe ich in den vergangenen knapp drei Jahren meinen Schreibtisch nicht gewechselt, sieht man mal vom physikalischen Umzug ins neue Bürogebäude ab. Die Arbeit ist dieselbe, nur das, was vorne dransteht, nennt sich jetzt zum dritten Mal innerhalb eines dreiviertel Jahres anders.

2009 wird ein ungewisses Jahr, in vielerlei Hinsicht. Die Firma hat angekündigt, den Geschäftsbereich, für den ich arbeite, aufzugeben. Diese Ankündigung ist vier Monate alt, Aussichten und Alternativen für unsere Arbeit wurden uns aber bis heute nicht genannt. Was wir tun, nämlich Dienst am Kunden, hat künftig keinen Platz mehr in der Firma, und was unsere Aufgabe sein soll, wenn auch der letzte Kundenvertrag beendet ist, ist ungewiss. Die Bereichsleitung hat entweder keinen Plan oder sie redet noch nicht intern offiziell drüber. Diese Ungewissheit, die uns bereits im vergangenen Jahr beunruhigt hat, nehmen wir also nahtlos mit nach 2009.

Es regnet in Dresden, der Markt auf der Lingnerallee ist um diese Zeit schon gut besucht. Es ist alles wie immer an einem Freitag im Büro.

Alles wie immer? Nicht ganz. Das Büro zieht heute nämlich um. Seit fünf Jahren arbeite ich für den Laden hier, fünf Jahre in einem Bürokomplex in der Innenstadt. Der Bürozug ist lang und verteilt sich auf mehrere Gebäude, alles existiert noch aus DDR-Zeiten, das Areal trägt noch immer den Namen einer großen DDR-Technologieschmiede.

Ab heute mittag werden unsere Bürokisten abgeholt, IT zieht am Wochenende die Technik um und alle hoffen, daß es ab Montag am neuen Ort zu arbeiten geht. Wir sind gut organisiert. So abgenutzt und nervig das Gebäude und seine Inhalte sind, es ist ein komischer Abschied. Hier habe ich in den ersten Jahren nächtelang gesessen, der Stadt beim Schlafen und Leben zugehört, schöne und schreckliche Erlebnisse gehabt.

Das Grün des Großen Garten, im Süden die Babisnauer Pappel, die teilweise legendären Sonnenaufgänge – all das konnte ich von meinem Bürofenster aus sehen und werde es sicher sehr vermissen als ablenkenden Blick vom Bildschirmgestarre. Der neue Platz wird zwar wieder ein Fensterplatz sein (glücklicherweise), aber ringsum werden Häuserschluchten, Straßen, Fahrzeuge sein und ab Januar gegenüber der Abriß einer stahl- und steingewordenen Scheußlichkeit.

Ich lasse jetzt erstmal den Blick noch ein wenig schweifen…

Beim Kollegen zwei Zimmer weiter liegt eine 8″-Diskette auf dem Schreibtisch, die für einen Kunden generiert werden muß. Ich dachte immer, solche steinzeitlichen Arbeitshilfen hätten inzwischen das digitale Zeitliche gesegnet.

Der aufgedruckte Firmenname beginnt übrigens mit ‚S‘ und benennt eine große, deutsche Firma, die sich in verschiedenen Wirtschaftssektoren versucht hat zu etablieren. In vielen Sparten ist sie bereits gescheitert. Und ab hier lasse ich mal Raum für Spekulationen… 😉

Hi,

sorry, but we don’t know a so-called C-project and we also don’t know which access rights you request for. Please specify your request.

Regards…

 

Das ist die etwas freundlichere Variante, einem Mitarbeiter in Indien mitzuteilen, daß er ums Verrecken vergessen kann, Zugangsdaten zu gehosteten Kundensystemen zu erhalten.

Sinngemäße Wiedergabe

„Lieber Kunde, wenn Du möchtest, daß Deine Systeme auch nach der Zeitumstellung einwandfrei funktionieren, sollten wir sie zum Zeitpunkt der doppelten Stunde herunterfahren. Bitte schick uns ein Ticket, wenn wir etwas für Dich tun dürfen.“

Nach und nach trudelten Ende letzter und Anfang dieser Woche die entsprechenden Tickets bei mir ein. Aber – keiner hatte die Zeiten konkretisiert, zu denen die Systeme heruntergefahren werden sollen. Also retour:

 

„Lieber Kunde, bitte bestätige uns die folgenden Zeiten, zu denen wir Deine Systeme außer Betrieb nehmen können.“

..[hier bitte zwei bis drei Zeilen mit beliebigen Zeiten zwischen 00:15 und 05:00 Uhr einsetzen]..

„Und prüfe dabei gleich noch, ob alle Deine Jobs zu Uhrzeiten nach der Zeitumstellung laufen. Falls nicht, ändere die Planung.“

 

Das sollte doch einigermaßen verständlich sein, oder? Was krieg ich heute zurück?

 

„Hallo, von uns laufen keine Jobs, nur XXXX startet Jobs für die Datenbank. Diese können Sie ausplanen. MfG…“

Keine Uhrzeit bestätigt, nüscht. Waaaaah! Ich beiß hier gleich in die Tischkante…

Ganz toll, Herr Kagermann, Ihr Interview im Tagesspiegel, dessen Auszüge man heute beim Heise Newsticker lesen kann.

Ich will Ihnen mal was sagen: Ich arbeite für Sie. Und ich arbeite auch von zu Hause aus für Sie. Aber auf meinem Rechner daheim befinden sich keine „leistungsfähigen Verschlüsselungstechniken“, weil ich damit zum einen nicht umgehen kann und es auch nicht will. Auf diesem Rechner befinden sich sowohl private als auch dienstliche Daten. Und ehrlich gesagt, möchte ich weder meine privaten Daten ausspioniert wissen, erst recht nicht die dienstbezogenen. Ich arbeite nämlich gern für Ihre Firma. Bislang.

Aber spinnen wir doch mal die Argumentationskette von Schäuble & Co. weiter, die in den vergangenen Wochen und Monaten durch die Medien geisterten. Wer auf seinem Computer diese sog. „leistungsfähigen Verschlüsselungstechniken“ einsetzt, macht sich in den Augen der um unsere „innere Sicherheit“ so besorgten Politiker verdächtig und gilt schnell als „Gefährder“. Können Sie mir folgen? Genau, Sie und ich, würden wir diese Programme einsetzen, werden zu sog. „Gefährdern“. Mal ehrlich, Sie wollen bestimmt nicht die Polizei zu Hause haben, nur weil Sie Ihre Innovationen vor fremdem Zugriff schützen wollen. Und ich möchte die Herren in Grün auch nicht zu Hause auflaufen sehen, nur weil ich für Sie arbeite und meine Daten ebenfalls schützen muß.

Also denken Sie bitte nochmal über das Gesagte nach…