Foodcamp Cilento, Tag 1; ohne alle

Ich habe vor das Foodcamp zwei zusätzliche Tage gehängt, um mir ein paar Orte und Dinge auf eigene Faust anzusehen. Meine Italienerfahrungen beschränken sich auf zwei Orte: den Flughafen Palermo, den ich nach einer Notlandung nicht verlassen durfte, während wir auf die Ersatzmaschine warteten, und Südtirol, was zwar politisch zu Italien gehört, dessen Bewohner sich aber mehr mit Österreich verbunden fühlen. Sowohl mental als auch kulinarisch hat Südtirol herzlich wenig mit Italien zu tun.

6 Uhr Abflug in Dresden, was für eine beschissene Zeit. Man gähnt vor sich hin, die ersten Businesskasper schleichen am Gate herum, einige von ihnen sind meine Kollegen, wahrscheinlich auf dem Weg zu Kunden in und um München. Geht ihr mal schön arbeiten, denke ich etwas schadenfroh, ich werde heute mittag in der italienischen Sonne sitzen. Halb 10 geht es weiter nach Neapel, aber erstmal stecken wir im Abflugstau an der Münchener Startbahn. Es herrscht bestes Flugwetter, die Alpen erheben sich in der klaren Luft über die Wolkenberge. Gletscher, irgendwo weit hinten liegt schon Schnee auf den Gipfeln, klare Bergseen, Alpendörfchen. Hach.

Nach der Hälfte der Flugzeit meldet sich der Flugkapitän und macht auf das rechts unter uns dahinziehende Venedig aufmerksam. Doppelhach. Man sieht Boote Linien im Wasser malen, Yachten, riesige Fähren und Luxusliner, Frachtschiffe. Und jeder Quadratmeter in und an der Lagune ist sowas von bebaut. Wir überqueren Mittelitalien, der Landeanflug auf Neapel ist wackelig. Wir haben eine reichliche halbe Stunde Verspätung, aber egal, ich habe Urlaub.

Hier läuft man noch quer über das Rollfeld, wenn man nicht allzu weit vom Gate gelandet ist. Mit dem zweiten Schwung kommt auch meine Reisetasche, Ausweiskontrolle oder ähnliches findet nicht statt. Ein gelangweilter Hundeführer steht am Ausgang herum, der Schäferhund dreht gelassen den Kopf in meine Richtung, ich bin aber völlig uninteressant.

Zum Autovermieter und dann los, Abenteuer italienischer Straßenverkehr. Ich muss auf den Shuttle zum Parkplatz der Autovermieter warten und sehe mir den Verkehr an; kaum ein Auto ohne Schrammen und Beulen, Hupen ist Pflicht und Rücksichtnahme oder Galanterie gibt es nicht. Auf dem Parkplatz für den Shuttle steht ein Pkw, als das Shuttle kommt, wird der kleine Punto fix zugeparkt. Überhaupt: Service. Den gibt es am Flughafen nicht. Die Damen am Schalter sind mürrisch und kurz angebunden, das Gepäck muss man selbst in den Bus hieven, der Fahrer steht daneben und schaut gelangweilt zu. Den Parkplatz seines Autos muss man sich selbst suchen; die beiden Hiwis saßen gelangweilt in einem der Autos und wedelten auf meine Frage nur genervt mit den Händen. Irgendwo da hinten, fünf lange Reihen eines Autovermieters, da wird es schon sein. Erzählt mir der Nächste etwas von „Servicewüste Deutschland“, ich werde ihm Italien als heilsame Erfahrung empfehlen.

Autofahren ist lustig in Italien, aber ich habe auch zwei Wochen Selbstfahrerei in Schottland überlebt. Der italienische Autofahrer fährt immer zu weit irgendwas: zu weit links auf der rechten Fahrspur und zu weit rechts auf der linken Fahrspur. Überholt wird, wo gerade Platz ist, gern macht man auch mal eine dritte oder vierte Spur auf. Geblinkt wird nur, wenn man dem Vorausfahrenden anzeigen will, dass er dem eigenen Überholbedürfnis im Weg ist, ansonsten muss man raten, ob der vor einem jetzt noch links rauszieht oder nicht. Durchgezogene Linien werden ignoriert, überholt wird ebenfalls auf Abbiegespuren, Standstreifen, als gesperrt gekennzeichneten Bereichen.

Überhaupt: Autobahn. Hinter Neapel fährt man fast 10 km durch „Baustellen“, aber man sieht kein einziges Baufahrzeug. Angefangene Auffahrten, Rampen, Brücken, die an Häusern enden. Wunderschöne Villen, dem Verfall preisgegeben. Und Müll. Überall, an den Straßenrändern, in den Gräben, auf Parkplätzen, Müll, Müll, Müll.

Schlimmer wird das Müllding nur noch, als ich in Battipaglia die Autobahn verlasse. Rechts und links der Straße Gewächshäuser, Plantagen und Felder und überall dieses herumfliegende Plastikzeugs. Aber: irgendwann erreicht man Agropoli und der Blick rechts zum Meer ist wirklich Gold wert.

Beim Durchfahren der vielen Orte auf dem Weg nach San Marco di Castellabate erinnerte ich mich irgendwann an die vielen Filme, die in den fünfziger/ sechziger Jahren die heile Welt Italien nach Deutschland brachten. So sieht es hier noch heute aus, die Zeit ist stehen geblieben, aber der Putz bröckelt gewaltig von der Fassade.

Zu guter Letzt: Ankunft in San Marco. Irgendwann stehe ich am Hafen und stelle mit Erschrecken fest, dass ich nur die erste Seite des Dokuments mit den Anreisedaten dabei habe. Mist. Und wie finde ich jetzt zum Hotel? Und wie heisst das überhaupt? Glücklicherweise gibt es Apps auf dem iPhone und nach ein wenig „Herumfragen“ finde ich schließlich das Hotel. Einchecken, duschen, etwas essen. Es ist unglaublich warm hier, um die 30 Grad, es weht ein scharfer, aber nicht kühlender Wind. Nach einer Pause im Zimmer dann doch noch einmal vor die Tür: eine Runde um den Block, Fotografieren, am Hafen ein Eis und einen Cappuccino und der Sonne beim Untergehen zusehen. Dreifach-Hach.

Gleich erstmal: schlafen. Und morgen geht’s nach Pompeji.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert