Sergei Michalkow – Der Hase im Rausch

Der Igel hatte einst zu seinem Wiegenfeste

den Hasen auch im Kreise seiner Gäste

und er bewirtete sie alle auf das Beste.

 

Vielleicht ist auch sein Namenstag gewesen,

denn die Bewirtung war besonders auserlesen,

und geradezu in Strömen floß der Wein,

die Nachbarn gossen ihn sich gegenseitig ein.

 

So kam es denn, daß Meister Lampe bald

zu schielen anfing, er erlor den Halt,

er konnte nur mit Mühe sich erheben,

und sprach die Absicht aus, sich heimwärts zu begeben.

 

Der Igel war ein sehr besorgter Wirt

und fürchtete, daß sich sein Gast verirrt.

Wo willst Du hin, mit einem solchen Affen?

Du wirst den Weg nach Hause nicht mehr schaffen,

und ganz allein im Wald dem Tod entgegengehn,

denn einen Löwen wild, hat jüngst man dort gesehn.

 

Dem Hasen schwoll der Kamm,

er brüllt in seinem Tran:

Was kann der Löwe mir, bin ich sein Untertan?

Es könnte schließlich sein, daß ich ihn selbst verschlinge.

Den Löwen her, ich fordre ihn vor die Klinge.

Ihr werdet sehn, wie ich den Schelm vertreibe,

die sieben Häute, Stück für Stück, zieh ich ihm ab von seinem Leibe

und schicke ihn dann nackt nach Afrika zurück.

 

Und so verließ der Hase also bald

das fröhlich laute Fest, und er begann im Wald

von einem Stamm zum anderen zu schwanken

und brüllt dabei die kühnlichsten Gedanken

laut in die dunkle Nacht hinaus:

 

Den Löwen werde ich zerzausen.

Wir sahen in dem Wald noch ganz andre Tiere hausen,

und machten ihnen doch den blutigen Garaus.

 

Infolge des geräuschvollen Gezeters

und des Gebrülls des trunk’nen Schwerenöters,

der sich mit Mühe durch das Dickicht schlug,

fuhr unser Löwe auf mit einem derben Fluch,

und packt den Hasen grob am Kragen:

 

Du Strohkopf willst es also wagen,

mich zu belästigen mir dem Gebrüll,

doch warte mal, halt still, du scheinst mir ja nach Alkohol zu stinken,

mit welchem Zeug gelang es Dir, Dich derart sinnlos zu betrinken.

 

Sofort verflog der Rausch dem kleinen Tier,

er suchte rasch, sich irgendwie zu retten:

Sie – wir, nein ich, ohh, wenn Sie Einsicht hätten…

Ich war auf einem Fest und trank viel Alkohol,

doch immer nur auf Euer Gnaden Wohl

und Eurer guten Frau und Eurer lieben Kleinen,

das wäre doch, so wollte es mir scheinen,

ein triftger Grund, sich maßlos zu besaufen.

Der Löwe ging ins Garn und ließ den Hasen laufen.

 

Der Löwe war dem Schnaps abhold

und hasste jeden Trunkenbold.

Jedoch betörte ihn, wie dem auch sei,

des Hasen Speichelleckerei.

 

Wunderbare Fabel, die ich immer wieder gern lese. Und die meisten Ostdeutschen werden sich bestimmt bei diesem Text mit einem Schmunzeln an Eberhard Esches unvergessliche Interpretation dieser Fabel erinnern.

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