Waldschlösschenbrücke, die unendliche

Gestern gab es in der „Sächsischen Zeitung“ ein interessantes Interview mit Kurt Biedenkopf zu lesen. Glücklicherweise ist der komplette, lesenswerte Artikel online abrufbar. Er behandelt viele Themen, unter anderem den Bau der Waldschlößchenbrücke.

Sie waren vor wenigen Tagen bei der Unesco in Paris. Sehen Sie denn noch eine realistische Chance, dass die Brücke gebaut und gleichzeitig der Welterbetitel erhalten werden kann?

 Die Chance sehe ich, obwohl den Dresdnern jetzt eingeredet werden soll, das Tunnelprojekt sei die Lösung. Doch der Tunnel ist weder genehmigungsfähig noch durchführbar. Ganz davon abgesehen schließt er Fußgänger und Radfahrer aus. Und auch er würde durch seine Aufbauten, etwa für Lüftung und Notausstiege, die Elbwiesen beeinträchtigen.

 Sie halten den Tunnelbau für völlig unrealistisch?

Der Tunnel wird nie gebaut. Die Genehmigungsverfahren würden sich die nächsten zehn Jahre hinschleppen und durch alle Instanzen wandern. Allein die Einwände und Klagen, mit denen zu rechnen wäre, würden ihn zu einer unendlichen Geschichte werden lassen. Anders als bei der Brückenlösung würden die Tunnelzufahrten weit mehr Grundstücke in Anspruch nehmen und eine gänzlich andere Straßenführung verlangen. Außerdem würde sein Bau sehr viel teurer als eine Brücke. Viele, die einen Tunnel befürworten, wissen das alles. Sie wollen letztlich jede Elbüberquerung verhindern.

Wie schlimm wäre es für Dresden, wenn der Welterbetitel aberkannt würde?

Ich würde es bedauern, aber nicht für ein Unglück halten. Richtig wäre, wenn das Weltkulturerbekomitee seine Entscheidung nicht jetzt sondern erst dann fällen würde, wenn die neue Brückenkonzeption verwirklicht ist. Erst dann kann man wirklich beurteilen, ob sie mit dem Elbtal vereinbar ist. Das ganze Verfahren finde ich inzwischen ziemlich ärgerlich. Dresden ist im Begriff, sich lächerlich zu machen. Wenn man mal vom Feuilleton in den überregionalen Zeitungen absieht, versteht kaum noch jemand das Hickhack um die Brücke. Manche der Beiträge zeichnen sich eher durch Ignoranz und Arroganz aus. Selbst die Behauptung war zu finden, die Brücke zerstöre den Canalettoblick. Ich lese gerne im Feuilleton. Aber ich finde es anmaßend, der Dresdner Bevölkerung, die sich mehrheitlich für die Brücke entschieden hat, jede Fähigkeit abzusprechen, die Kultur ihrer Stadt angemessen zu schützen.

 Haben Sie das auch der Unesco gesagt?

Ja, das habe ich auch in Paris gesagt. Die Dresdner haben nach der totalen Zerstörung ihrer Altstadt 1945 begonnen, nicht nur ihre Häuser, sondern auch den Zwinger wieder aufzubauen. Finden Sie mal eine Bevölkerung, die sich so mit der kulturellen Substanz ihrer Stadt verbunden fühlt wie die Dresdner. Ich habe hier viele Menschen getroffen, auch sogenannte einfache Leute, die von Oper mehr verstehen als viele Westdeutsche, die das Geld hätten, jede Woche in die Oper zu gehen. Der Sachverstand der hiesigen Bevölkerung in Bezug auf die Brückenfrage erscheint mir größer als der Sachverstand des Weltkulturerbekomitees. Schließlich müssen die Dresdner mit der neuen Brücke leben. Sie ist im Übrigen auch ein Balkon. Bei schönem Wetter sind die Brücken der Stadt voller Menschen. Man hat von ihnen einen wunderbaren Blick.

 Aber durch den Brückenbau werden Elbwiesen, auf denen Menschen wunderbar spazieren gehen können, nicht gerade schöner.

Natürlich verändert sich die Elblandschaft. Aber sie ist ein Teil der Stadt. Die Bürger haben sich vor drei Jahren für den Brückenbau entschieden. Und sie kennen ihre Elbwiesen. Die jetzigen Versuche, diese Entscheidung mit einem Projekt zu unterlaufen, das nie Wirklichkeit werden wird, ist mit dem Gedanken des Bürgerentscheids unvereinbar. Das widerspricht den demokratischen Grundregeln.

(Quelle: SZ-online, 26.04.2008)

 

Man kann von Kurt Biedenkopf halten was man will – an diesem Punkt spricht er eine Wahrheit aus, vor der sich Stadt-, Landes- und auch Bundespolitiker sowie ignorante Bewohner der Stadt gern verschließen. Ein Verlust des Welterbetitels, sollte er ausgesprochen werden, ist kein Beinbruch. Die 2.000 Touristen jährlich, die hier weniger durchgeschleust würden, weil sie fünf deutsche Städte in zwei Tagen besuchen müssen, sind wirklich entbehrlich.

Man macht sich lächerlich mit diesem Gezeter. Für mich ist es fast schon peinlich, wenn mich Freunde in Leipzig auf dieses Desaster ansprechen. Aber hier werden Bürgerentscheide so lange ignoriert und torpediert, bis die Bindefristen abgelaufen sind und das Rad hier in Form der Tunnelbaudiskussion wieder neu erfunden werden kann. Alle Tunnelbefürworter lassen völlig außer acht, daß seit ca. 15 Jahren viel Geld verbrannt worden ist für den Brückenbau, und daß weitere Millionen über Jahre in Rauch aufgehen werden, wenn jetzt mit einer Tunnelplanung begonnen wird.

Biedenkopf hat insofern recht, daß die Bestrebungen ganz offensichtlich dahin gehen, den Bau einer Elbquerung in jedem Fall zu verhindern. Daß damit städtische Entwicklung behindert wird, ignorieren die lautesten Krakeeler offenbar mit bestem Gewissen.

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