Wer für Arturo Ui ist: Hände hoch! (eine Abhandlung, gefunden beim Staatsschauspiel Dresden)

„Möglicherweise wäre der Aufstieg der NPD in Sachsen vor fast zehn Jahren tatsächlich aufzuhalten gewesen – hätte ihn das Land nur registrieren wollen. Doch Kurt Biedenkopf postulierte, die Sachsen hätten sich als „völlig immun erwiesen gegenüber rechtsradikalen Versuchungen“. Und so ruhte sich Sachsen auf dieser von Biedenkopf verordneten „Immunität“ gegen Rechtsextremismus aus und bemerkte das Unheil nicht, das schon zu den Kommunalwahlen im Frühjahr 2004 heraufzog. Als dann im September fast jeder zehnte sächsische Wähler sein Kreuz bei den Rechtsextremen machte, fiel nicht nur Sachsen in eine Art Schockstarre.“

….

„Und das ist die wirklich schlechte Nachricht. Dass es derzeit etwa 90000 Sachsen gibt, die eben nicht immun sind gegen die verführerischen Angebote von rechts. Menschen, denen Wille oder Werkzeug fehlt, unsere Gesellschaftsordnung zu verteidigen.
Es geht dabei nicht darum, rechte Ideologen von den Irrwegen ihrer Ideologie zu überzeugen. Auch Reporter erleben immer wieder, wie einfach es der NPD gelingt, Brücken in ein befremdliches Weltbild zu schlagen, in ein Weltbild, in dem sich der Gesprächspartner nicht auskennt. Sich nicht auskennen will. Und sich nicht auskennen muss.“

….

„Wenn sogar der Bundestagsvizepräsident sein – möglicherweise ja berechtigtes – Befremden über die Urteile sächsischer Richter formuliert und dabei pauschal die „eigentümlichen Dresdner Justizverhältnisse“ brandmarkt, dann streut er ein kleines Sandkorn auf die Schicht der Unkenntnis. Wie müssen solche Pauschalierungen bei den Wählern ankommen, die „denen da oben“ ohnehin misstrauen? Die politikmüden, rechtsstaatsverdrossenen Demokratieskeptiker – wie werden die das nächste „Schnauze voll“-Wahlkampfplakat rechter Parteien bewerten?
Wir brauchen Politiker, die Freude an der Demokratie vermitteln, die Kritik am „System“ formulieren, weil sie es schützen wollen. Wir brauchen Journalisten, Lehrer, Künstler und Eltern, die dieses Ansinnen mittragen, kurz: Wir brauchen alle, wir brauchen uns.
Das Verbot einer Partei, die sich ganz offen zu ihrer Systemfeindschaft bekennt, dürfte sich dann von selbst erübrigen. Ein erfolgreiches Verbotsverfahren hingegen würde uns der Notwendigkeit berauben, uns immer wieder mit der NPD und unserer Ordnung, die sie bekämpft, auseinanderzusetzen. Ein Verbot würde uns die trügerische Illusion der Immunität gegen rechts zurückgeben, die uns einst attestiert wurde.
Neue politische Gruppierungen stehen lange bereit, die Kader einer dann verbotenen NPD aufzunehmen. Gruppierungen, die genauso wachsen könnten wie die NPD in Sachsen 2004. Kurt Biedenkopf irrte damals. Wir waren nicht immun, wir wussten nicht einmal, wogegen.“

Dresdner Reden – Carla del Ponte

Carla del Ponte war von 1999 bis 2007 Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes u.a. für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. In ihrer Dresdner Rede sprach sie über diese Zeit; sie war für Jugoslawien zuständig, zeitweise auch für Ruanda. Obwohl sie bereits in Pension ist, untersucht sie als Mitglied einer unabhängigen Kommission Menschenrechtsverletzungen in Syrien.

Frau del Ponte hat meinen tiefsten Respekt, für ihr Wirken, ihre Arbeit, ihren unermüdlichen Einsatz. Sei erzählte von Gesprächen mit hochrangigen Politikern und deren Zusagen, sie bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Wie ernstgemeint diese Aussagen waren, zeigen auch die Ergebnisse ihrer Arbeit, denn oftmals gelang es ihr und ihrem Team nicht, die jeweiligen Gesuchten zu verhaften und einer Anklage zuzuführen. Sie hat nach Kriegsende Bosnien bereist, um bei den Untersuchungen vor Ort zu sein. Sie hat Massengräber gesehen und Ärzte, Polizisten besucht, die bei den Obduktionen dabei waren. Sie hat aber auch berichtet, wie schwierig die Arbeit der internationalen Justiz ist, denn sie ist auf die Mitarbeit der jeweiligen Staaten angewiesen. Wenn diese Unterstützung nicht kommt oder, was schlimmer ist, Akten vernichtet werden, um eine internationale Strafverfolgung zu verhindern, oder im Sicherheitsrat interveniert wird, scheitert auch diese Form der Rechtssprechung an den Interessen der Politik.

In der anschließenden Frage-Antwort-Stunde kamen ein paar interessante Fragen auf, auch zu ihrem derzeitigen Engagement in Syrien. Man spürt, dass sie noch immer für ihre Aufgabe brennt (die Dame wird morgen 68 Jahre alt), und – das sagte sie auch am Schluss ihrer Rede – dass sie alles für sie mögliche tun wird, damit dieser Konflikt in Syrien bald endet, damit die Menschen dort wieder in Frieden leben können, die Kinder zur Schule gehen können. Für Syrien sieht sie jedoch nur eine politische, keine kriegerische Lösung.

Meine 15 Cent

Ich halte mich in den sozialen Medien mit politischen Äußerungen weitestgehend zurück. Das bedeutet nicht, dass ich keine politische Meinung habe, im Gegenteil. Wie schnell Meinungsäußerungen entgleisen können habe ich oft genug bei Freunden und Bekannten gesehen, darauf habe ich keine Lust. Zu schnell wird zuviel missverstanden, Erklärungen zu schreiben ist schwieriger als sich zusammenzusetzen und zu reden (was schon aus vielen Gründen nicht geht), Dinge mündlich zu klären anstatt schriftlich.

Ich beobachte seit Wochen mit gehobenen Augenbrauen, was in Dresden passiert. Ich hatte gehofft, dass sich „Pegida“ irgendwann totläuft, genauso wie vor einigen Jahren die Montagsdemos gegen Hartz IV. Leider ist das Gegenteil eingetreten, von Woche zu Woche rennen mehr Leute diesen Blendern hinterher, die mit „Überfremdung“ und „Islamisierung“ ködern. Interessant zu beobachten ist dabei, wie sehr die Zahlen der Teilnehmer differieren zwischen den Meldungen der anwesenden Presse und den später nachgelieferten Zahlen der Polizei. Auch interessant – und das ist ein Fakt: sehr viele der Pegida-Mitläufer kommen aus anderen Städten, Bundesländern nach Dresden, um ihre Flagge zu zeigen. Ich weiß nicht,  wie viele Dresdner auf Seiten der Pegida mitlaufen, aber sie sind vermutlich nicht in der Überzahl. Sie alle haben aber eins gemeinsam: sie werfen ein schlechtes Licht auf die Stadt und die Menschen, die in ihr leben und arbeiten.

Mehr als alles ärgert mich die Sippenhaft, in die man als Dresdner inzwischen genommen wird; Pegida steht nicht für mich, auch nicht für die Stadt, in der ich partiell lebe und arbeite. Ein paar verrückte Köpfe organisieren hier ihre sogenannten Abendspaziergänge und schaffen es, aus der ganzen Bundesrepublik Leute nach Dresden zu bringen. 3.500, 7.000, 12.000, zuletzt sogar 25.000 vermeldete Pegida-Demonstranten. Demgegenüber stehen jeden Montag Proteste, die es – wenn ich mich richtig erinnere – bisher nur einmal geschafft haben, zahlenmäßig über den Pegida-Demonstranten zu liegen, nämlich als der Sternmarsch zum Rathaus stattfand. Wie Teilnehmerzahlen bei Kundgebungen übrigens offiziell ermittelt werden, erläutert anschaulich und knapp zum Beispiel dieser Artikel in der Sächsischen Zeitung, ähnliche Artikel sind bei der Süddeutschen und auf der MDR-Website erschienen. Im Artikel der Süddeutschen Zeitung geht es auch um einen verantwortungsvollen Umgang mit Zahlen, auch darüber kann man mal nachdenken.

Letzte Woche teilte ich den Text von Peter Richter über Dresden, Kästner und Pegida auf Facebook. Richter trifft mit seinem Erlebten und Wahrgenommenen, wie ich mich mit Pegida und auch Nopegida fühle, meinen Ärger, meine Zerrissenheit, aber auch meine Angst, mich dem montags entgegenzustellen. Einer der wichtigsten Sätze bei Richter ist: „Der Skandal ist, dass Pegida auch schuld daran ist, dass Dresden für immer mehr Leute als schuld an Pegida gilt, als Stadt, die immer irgendwie rechts und konservativ war, ist, sein wird, als Stadt, die aus Prinzip immer nur Rechtes und Konservatives hervorbringt und nichts anderes.“ Eben jene Vorwürfe kamen in den Kommentaren aus Hamburg (inzwischen von der Verfasserin gelöscht) und das ist es, was ich mit Sippenhaft meine. Ebenso Fragen, warum wir es nicht schaffen, mehr Leute gegen Pegida auf die Straße zu bringen. Eine Frage beantworten, auf die ich selbst keine Antwort habe? Das kann ich nicht. Einer meiner Freunde war getroffen von den Kommentaren und reagierte deutlicher als ich es tat. Konsequenz: Hamburgerin blockt Dresdner (was ich erst rausfand, als ich ihn anschrieb und fragte, warum er seine Kommentare gelöscht habe). Ich bin auch nicht mit jedem einer Meinung, aber Leute wegen ihrer Meinungen zu blocken finde ich kindisch, unreif. Wenn man Meinung nicht aushält, sollte man sich nicht an Diskussionen beteiligen bzw. eine vom Zaun brechen. Genauso albern war es, im Nachhinein die eigenen Kommentare und Fragen zu löschen, so stehen meine Antworten jetzt eher zusammenhanglos unter dem Beitrag. Nun ja.

Letzten Samstag war ich auf der Kundgebung an der Frauenkirche, bei der, wie wir während der Veranstaltung bereits erfahren haben, wohl 35.000 Menschen waren. Sie verlief ruhig, entspannt, viele Leute waren mit Kindern und/oder Enkeln da. Natürlich gab es in den vorderen Reihen jemanden, der versucht hat, gewisse Redner niederzuschreien. Auch die Schilder mit „Pegida hat Recht“ waren da, aber eher sehr spärlich gesät. Es ging ruhig und friedlich zu, wenig Polizei im Gegensatz zum Aufgebot, das hier jeden Montag vom Büro aus zu beobachten ist.

Montag abend – 25.000 Pegida-Demonstranten. Woher kommt ihr alle, zum Teufel? Als ich gegen halb 7 abends das Bürohaus verließ, begann die Polizei gerade damit, das Areal abzuriegeln. Irgendwann gegen 22 Uhr legte ich das iPad weg und ging schlafen, ich mußte schließlich am nächsten Morgen wieder früh im Büro sein. Dienstag morgen, Frühstücksfernsehen der ARD. Um halb 8 hörte ich zum ersten Mal Zahlen der Demonstrationen in den verschiedenen Städten. Richtig wütend machte mich in etwa folgender Wortlaut bei der Tagesschau: „In Dresden folgten etwa 25.000 dem Aufruf der Pegida. Dem stellten sich gut 30.000 Menschen in Leipzig … gegenüber. … Anti-Pegida-Demonstrationen fanden u.a. auch in München, Hannover, Berlin, Hamburg und Saarbrücken statt.“

Danke, Tagesschau! Bisher habe ich die Öffentlich-rechtlichen immer verteidigt für unabhängige Berichterstattung. Genau so kommt unter anderem die Wahrnehmung auf Dresden zustande. In Dresden demonstriert Pegida, in allen anderen Städten wird dagegen protestiert. Dass in Dresden knapp 9.000 Leute bei der Gegendemo waren – kein Wort. Dass in Leipzig etwa 7.000 für Legida unterwegs waren – kein Wort. Es ist das, was man tendenziöse Berichterstattung nennt, worüber sich die Begleitung aufregt und wir immer wieder mal unterschiedlicher Auffassung waren.

Es kotzt mich an. Zum einen das Bild, das durch genau die oben beschriebene Berichterstattung entsteht, zum anderen die Sippenhaft, in die man dann dafür genommen wird. Das Aufrechnen der Demonstrantenzahlen, wer ist dafür, wer dagegen, meine Stadt ist besser als deine. Es gibt Dinge, die funktionieren interessanterweise nur hier, Pegida gehört leider dazu (was immer noch nicht bedeutet, dass ich sie akzeptiere). Und ich bin es leid, mich für die Stadt zu entschuldigen, wo keine Entschuldigung nötig ist. Kommt her, macht euch selbst ein Bild von Dresden und den Menschen, die hier leben, gebt ihnen bitte diese Chance, anstatt alle und alles über einen Kamm zu scheren!

Dresden im Zeitraffer

T-RECS Timelapse Showreel 2010

Und dann sitzt man davor, guckt sich das Video zum ersten Mal an, nachdem man den Link schon tagelang bei Twitter hat aufblitzen sehen. Und staunt. Bauklötze. Und man ist sich schon bei der ersten Sequenz bewußt, dass das da einfach nur großartig ist. Und hat beim zweiten Anschauen Tränen in den Augen.

Dieses Video ist so ziemlich das großartigste über dieses Dorf hier, was ich bisher in meinem Leben gesehen habe. Und ich hätte gern mehr davon. Macht weiter so!

Mit bewundernden Grüßen an T-RECS und das Effektmännchen

mona_lisa

Ending on a high note?!

Es sollen angeblich die letzten Konzerte sein, bevor sich a-ha zum zweiten Mal und diesmal endgültig auflösen wollen. Mal sehen, in wieviel Jahren man sich vor und auf einer Konzertbühne wiedersieht.

Sonntagabend in Dresden, Filmnächtegelände am Elbufer. Die Menge an der Carolabrücke ist überschaubar, am gegenüberliegenden Eingang stehen die Massen jedoch bis weit nach der Augustusbrücke Schlange am Eingang. Es könnte ein lustiger Abend werden, ich hab’s ja nicht so mit Massengedränge.

Ich finde einen recht bequemen Platz ca. 20 m vor der Bühne, das sollte reichen für einigermaßen brauchbare Fotos. Die Bühne ist fast „fertig“, im Vordergrund prangt „mister sushi“, das soll wohl die Vorband sein. Nulli trauert aber in der Timeline gerade um ihre Abwesenheit, denn die seien gut. Na mal sehen. Die letzten Vorbands bei den namhaften Gruppen waren mehr so akustische Reinfälle.

Um dreiviertel 8 (Viertel vor, wie der Norddeutsche und ich manchmal sagen), betreten Mister Sushi die Bühne und liefern eine recht beachtliche dreiviertel Stunde gute Musik ab, die man sich auch wieder mal anhören kann.

Nur die Pornobrille des Sängers beim ersten Song und seine manchmal schwache Stimme sind ausbaufähig, aber sonst machen die Jungs aus Leipzig und Dresden gute Stimmung und bringen die meisten um mich rum zum Mitsingen. Danach Umbau für den großen Auftritt des Abends.

Pünktlich um 9 (war eh klar, oder?) ein Intro mit einer tollen Show auf der großen Leinwand, ein Mix aus Songfragmenten und Grafik, die schon beim Cover von „Analogue“ so schön waren. Auftritt a-ha von rechts, alle drei top aussehend und mit riesigen Sonnenbrillen „verdeckt“. Hey Jungs, ich will Euch ins Gesicht und nicht auf die Brille sehen! Sie beginnen mit „Butterfly, Butterfly“, das ich nicht kenne und was sich im Nachhinein als ihre kommende Veröffentlichung herausstellt. Na gut, kein Song, bei dem ich textsicher bin.

Es geht weiter mit Songs des letzten Albums „Foot of the Mountain“ und recht schnell merke auch ich, dass Morten Harket die Töne nicht immer richtig trifft. Verdammt, wieso immer nur bei den neueren Songs, denke ich, live waren die echt schon besser. Und was soll immer dieses Gezuppel an den Kopfhörern? Das bringt der auch bei jedem Konzert und permanent, so dass man auf die Bühne rennen will, um ihm die Dinger rauszureißen. Das! Macht! Mich! Wahnsinnig!!

Irgendwann spielen sie sich durch die Hits der 80er und 90er, die Hits, die sie berühmt gemacht haben und für die sie die überwiegend weiblichen Massen auch heute noch lieben. Und siehe da, es geht, die stimmlichen Entgleisungen sind weg. a-ha singen sich durch 25 Jahre Bandgeschichte, von „Scoundrel Days“ bis zur Mitsinghymne „The Living Daylights“ ist alles dabei. „The Living Daylights“ klappt eh immer, bisher taugte es als Burner vor den Zugaben, diesmal ist es in der Mitte des Konzerts platziert und Magne Furuholmen dirigiert die Menge beim Mitsingen. Überhaupt Magne: Er stellt die Band fast komplett auf Deutsch vor, begrüßt das Dresdner Publikum auf Deutsch und ist überhaupt ein cooler Entertainer und Musiker. Ich hoffe, der hört noch nicht gleich auf.

Knapp zwei Stunden sind gespielt und a-ha verabschieden sich zum ersten Mal. Dass es Zugaben geben wird, ist eh klar, denn ein paar sehr bekannte Songs fehlen noch. Sie lassen sich nicht lange bitten, als Übergang gibt es eine Art Diashow mit Fotos und Zeitungsausschnitten aus 25 Jahren Bandgeschichte. Unglaublich, ist ihr erster Hit wirklich schon so lange her? Für einen kurzen Moment fühle ich mich alt.

a-ha beginnen den ersten Zugabenblock mit zwei ruhigeren akustischen Songs, bei denen Morten den Text des ersten Liedes abliest. Putzig, „And You Tell Me“ und „(Seemingly) Nonstop July“ scheinen sie nicht so oft zu spielen oder es gehört zum Konzept. Jedenfalls ist der Chorus des Publikums ein gutes Stück lauter als Morten selbst. Bei „Hunting High And Low“ singen die Massen wieder mit, aber beim Dirigieren des Refrains ohne Bandunterstützung werde selbst ich unsicher, welche Reihenfolge die Zeilen hatten. Komischerweise hört die Menge um mich herum schlagartig auf zu singen, wenn ich nicht weiter weiß und kichern muß. Haha, ich und Vorturner, das könnte Euch so passen! Harket fragt beim dritten Aussetzer auch nach „Are you sure?“. Hihi.

Die letzten Songs mit „Manhattan Skyline“ und „Take On Me“ bringen noch einmal alle in Bewegung, es macht richtig Spaß, in der Masse rumzuhüpfen, zu klatschen und aus vollem Hals mitzusingen. Morten Harket hat dann auch endlich das Jacket abgelegt, was ihm nochmal Gejohle und Pfeifen einbringt. Soll das wirklich alles gewesen sein? Ihr könnt mehr und ich bin mir sicher, a-ha wollen mehr.

Nach zwei Stunden ist alles vorbei, sie verabschieden sich, bedanken sich bei den begeisterten Dresdnern, man sieht es ihnen an, dass auch Magne, Morten und Paul ihren Spaß hatten. Sie waren großartig und wir waren bestimmt ein sehr dankbares und begeistertes Publikum. Und a-ha waren hoffentlich nicht zum letzten Mal in Dresden.

(Alle Konzertbilder finden sich bei Ipernity in diesem Album.)

Horrortrip

Es ist ja nicht immer einfach, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen, aber meistens tue ich es gern. Ich kann lesen, abhängen, Musik hören, ohne vom Verkehrsstreß gefressen zu werden. Die morgendliche Bande Schulkinder oder dauermeckernde Sitznachbarn sind nervig, aber glücklicherweise eher die Ausnahme.

Seit Ewigkeiten versuche ich, einen möglichst einsamen Platz im Bus zu ergattern. Meist gelingt mir das, indem ich beim Einsteigen gleich auf die erste Reihe abbiege und mein Buch auspacke. Ich möchte nicht gestört werden. So auch heute abend. Beim Einsteigen begrüße ich immer höflich den Busfahrer (gut fürs Karma), der mir entweder antwortet, mich blöd anguckt oder einfach nix sagt. Ich hocke auf der ersten Sitzreihe, die Kuhtasche neben mir und lese die ersten Seiten von „Schneller als der Tod“. Zwei Haltestellen später steigt ein Mann ein, der mir schon aus den Augenwinkeln beim Einfahren in die Haltestelle aufgefallen ist – schlampig gekleidet, kurz rasierte Haare, glasiger Blick. Ausgerechnet dieser Typ setzt sich neben mich. Nanu, denke ich noch, der Bus ist halb leer, wie setzt der sich… als mir auch schon eine Wolke aus mächtig viel Alkohol und kaltem Zigarettenrauch entgegenschlägt. Pfui bääh!!

Der Bus ist noch nicht mal aus der Haltestelle raus, als er seinen rechten Arm auf der Lehne hinter mir platziert. „Können Sie das bitte lassen?“, aber ich ahne schon, dass der Rest nicht angenehm werden wird. Nach drei Haltestellen merke ich zum ersten Mal seine Hand auf meinem Rücken. „Lass ja die Finger bei Dir“, er zuckt zurück, ich werde deutlicher. Ich versuche zu lesen, aber so richtig konzentrieren kann ich mich nicht. Zwei Minuten später dasselbe Spiel. „Ich sagte, nimm die Finger weg!“ Ich klappe das Buch zu und überlege, ob ich ihm beim nächsten Versuch eine runterhauen soll. Dabei fällt mir wieder die Geschichte meines Kollegen ein, der sich über Rowdys in der Tram aufgeregt hatte und dafür eine aufgeplatzte Lippe kassiert hat. Der Typ neben mir sieht aus, als ob er entweder gleich vom Sitz kippt oder zurückschlägt. Auf letzteres habe ich keine Lust. Halber Weg nach Hause und er versucht mich zu umarmen. Ich werde richtig laut. „Verdammt, nimm Deine Pfoten weg, habe ich gesagt. Kapierst Du’s nicht?“ Keine Reaktion, er glotzt mich debil an. Endlich guckt auch der Busfahrer, wenn auch etwas verwundert zu mir rüber. „Was ist?“, brülle ich den Kerl an, „Soll ich Dir das nochmal sagen? Willst Du eine fangen? Und jetzt? Kriegst Du das Maul überhaupt auf?“ Der Busfahrer guckt, der Typ blinzelt blöde, keiner sagt was, keiner tut was. Nach dieser Haltestelle stehe ich auf und will den Platz wechseln. Der Typ neben mir bewegt sich kein Stück, ich muss seine Füße vom Podest stoßen. „Mann, nimm Deine Flossen weg!“, brülle ich ihn nochmal an und gehe nach hinten in den Bus, ganz hinten, mit dem Rücken zum Rest. Der Typ bleibt sitzen.

Meine Befürchtung, er steigt an derselben Haltestelle aus, bestätigt sich glücklicherweise nicht, er verläßt den Bus vier Stationen vor meiner. Trotzdem gehe ich nach vorne, um dem Busfahrer wenigstens zu sagen, er hätte ja mal fragen können, ob alles in Ordnung sei. Im Spiegel sieht er mich kommen, warten Sie mal kurz an der Haltestelle. Was hat der eigentlich gemacht, will der Busfahrer wissen. Mich belästigt, angegrabscht. Naja, das was nicht stimme, hat er gemerkt, als ich laut geworden sei und dann aufgestanden bin. Er dachte, der Typ sei mein Mann. Wtf, denke ich noch so, und erkläre ihm, wo ich eingestiegen bin und wo der Typ. Er sagt, er hätte den „Marker“ gesetzt bei der Videoaufzeichnung und ich danke der Göttin, dass gerade so ein Bus auf der Route unterwegs war (kein Standard) und dass der Fahrer wenigstens so clever gewesen ist, dieses wichtige Knöpfchen gedrückt zu haben. Er gibt mir eine Servicerufnummer, die Liniennummer und die Uhrzeit, aber das weiß ich ja eh alles. Er hat an der Endhaltestelle einen Funkwagen stehen, dessen Besatzung informiert er und die geben die Videoaufzeichnung weiter. Man weiss ja nie und vielleicht wird der ja auch gesucht, sagt er. Meinen Namen und meine Telefonnummer bekommt er, ich weiß, dass die DVB bei sowas sehr auf ihre Kunden achtet.

„Beim nächsten Mal“, sagt er, „geben Sie gleich Bescheid. Dann kann ich nämlich und so.“ „Naja, ich kann schlecht verlangen, dass Sie ihn aus dem Bus werfen, wenn er ne gültige Fahrkarte hat“, und mir fällt die blöde Diskussion mit einem anderen Fahrer vor ein paar Jahren ein, als er trotz Beschwerden der Fahrgäste einen wirklich übel nach Fäkalien stinkenden Penner die komplette Route befördert hat und danach eine Diskussion über Menschenrechte vom Zaun brach.

„Doch“, meint er lachend, „in dem Fall kann ich das schon und mach das auch.“ „Fürs nächste Mal weiß ich das dann ja, aber ich hoffe, dass es ’nächstes Mal‘ nicht wieder gibt.“

Jetzt brauch ich erstmal was zum Abreagieren. Über eine Anzeige denke ich noch nach, aber was wird das bringen? Die Verkehrsbetriebe sind, was Belästigungen angeht, inzwischen nicht mehr so nachgiebig, seit es letztes Jahr diese Stalkingvorfälle mit Schülern und einem älteren Mann mit Videokameras in der Tram gegeben hat.

Lieber ADFC Dresden

Es freut mich, dass Euch endlich aufgefallen ist, dass es auch einen linkselbischen Elberadweg zwischen Dresden und Meißen gibt, den man inzwischen fast durchgängig befahren kann. Dem Gemecker in diesem Fahrbericht kann ich allerdings nicht so ganz folgen.

Die in den letzten beiden Fotos mokierten Streckenabschnitte gibt es seit mindestens fünf Jahren* in dieser Form, vor allem die „….unmotiviert in die Landschaft gebauten 90-Grad-Kurven, bei denen man sehr oft nicht sehen kann, ob Gegenverkehr kommt, weil Hecken oder Zäune die Sicht behindern. „ sind genau so gebaut, weil die Grundstücksverhältnisse der Anlieger dies nicht anders zuliessen. Die Bepflanzung und Pflege der angrenzenden Wiesen und Randstreifen obliegt zum Grossteil den zuständigen Gemeinden, denen ihr die Kritik gern zukommen lassen könnt.

Der 15 cm breite Feldweg ist meines Wissens nicht als Teil des Elberadweges ausgeschildert, da er über Privatgrund führt; der Radweg biegt ca. 500 m vorher auf die Bundesstrasse B6 ab. Der Abschnitt zwischen Wildberg und Niederwartha führt schon immer über die Bundesstrasse, weil es zum einen Uneinigkeiten mit den Grundstückseigentümern gibt und zum anderen noch immer unklar ist, wie die Anbindung in Niederwartha erfolgen soll, die im Moment durch den Brückenbau behindert ist.

Bis dieser Radweg endgültig zwischen Meißen und Dresden durchgängig befahrbar sein wird, fließt noch jede Menge Wasser die Elbe hinunter. Und Euch als ADFC würde ich eine etwas bessere Recherche empfehlen, ehe Ihr Euch über Vermutungen, Spekulationen und Eventualitäten der Verantwortlichen ergeht. Oder radelt einfach weiter rechtselbisch entlang.

* Edit: Diese Abschnitte sehen, bei genauerem Nachdenken, mindestens seit acht Jahren so aus, denn zum Elbehochwasser 2002 standen sie großflächig unter Wasser.

Zeichen setzen

Den Schriftzug „Dresden grüßt seine Gäste“ auf einem Hochhaus in der Nähe des Postplatzes kennt jeder Dresdner und sicher erinnern sich auch einige Besucher der Stadt an dieses glücklicherweise noch vorhandene Relikt aus DDR-Tagen.

Heute morgen habe ich entdeckt, daß unter diesem Schriftzug ein riesiges Transparent hängt: „…auf Nazis verzichten wir“. Groß und weithin deutlich lesbar.

Gestern hat das Oberverwaltungsgericht die Nazidemo für den morgigen Gedenktag gestattet. Armes Deutschland. Ich werde mich jedenfalls morgen in die Menschenkette einreihen, die an diesem Tag an den 65. Jahrestag der sinnlosen Zerstörung dieser meiner Stadt erinnern wird.

Geh denken! Und setzt Zeichen, bitte.

Heute war nach langer Abwesenheit wieder mal Gesprächstermin bei der Therapeutin. Irgendwann hatten wir uns auf einen Vormittagstermin geeinigt, im Einklang mit meiner Arbeitszeit. Klappt bisher ganz gut, mal für zwei Stunden aus dem Hamsterrad zu entschwinden.

Die Therapeutin hat ihre Praxis im Süden der Stadt, die Fahrt dorthin kann man über einige Routen machen, ich nehme, wenn ich früher im Büro bin, den 82er Bus. Der Frühtermin hat den Nachteil, daß ab Stadtmitte alles mitfährt, was um 9 beim Arbeitsamt sein muß, Sozialfernsehen von seiner tragischen Seite. Einigen sehe ich es nicht an, daß sie aufs Amt müssen, den meisten aber schon und ich frage mich dann im allgemeinen nicht mehr, warum sie dorthin bestellt werden.

Heute morgen war erstaunlich wenig los auf meiner Fahrt in den Dresdner Süden. Ein paar Omas, ein paar verspätete Schüler, wenige Amtsbesucher. Schräg gegenüber sitzt ein junger Kerl, die Haare kurzgeschoren, einen „Oi!“-Aufnäher auf dem linken Ärmel der Ballonjacke, ein paar Sticker am Kragen, aufgekrempelte Jeans, die obligatorischen Springerstiefel. Alles an ihm schreit seine Gesinnung, das sind Typen, denen ich am liebsten aus dem Weg gehe. Irgendwie wird mir beim Beobachten klar, wo er hinfährt, aber ich versuche noch eine Weile, ihm ein anderes Fahrtziel zu wünschen.

Er steht auf, schnappt seinen Rucksack, geht zur Tür. Die Blase des anderen Ziels platzt. Im Weggehen dreht er mir den rechten Arm zu, auf der Jacke einen Aufnäher „Skinheads gegen Rassismus“. Ich bin mir nicht sicher, ob ich in schallendes Gelächter ausbrechen soll. Der langhaarige Typ, der vor mir steht, sieht meinen Blick, guckt, sieht mich wieder an und grinst.

Beide verlassen den Bus an der Haltestelle beim Arbeitsamt.

Abriss Linde-Haus

Wir sitzen in unserem neuen Bürohaus ja seit einigen Wochen auf regelrechten Logenplätzen und dürfen zuschauen, wie endlich diese Scheußlichkeit auf der anderen Straßenseite abgerissen wird. Auf der Vorderseite ist noch nicht so viel zu erkennen, aber wir sehen immer mal wieder Bauleute durch die leeren Räume und Gänge laufen und irgendwelches Zeugs raustragen. Der Kollege hat in den unteren Stockwerken auch schon kleine Bagger rumfahren sehen.

Entgegen meiner ersten Annahme wird nun doch der Anbau am intecta-Haus abgerissen. Der Baustil gleicht zwar der Altmarktbebauung aus den 50er Jahren, paßt aber wohl doch nicht in das Neugestaltungskonzept, das die Erweiterung des Konsumtempels „Altmarktgalerie“ darstellt.

Der Ziegelbau ist der erste Teil, der momentan fällt. Inzwischen knabbern sich die Bagger vom rückwärtigen Teil zur Straße durch. Seit gestern mittag zum ersten Mal die Abbruchzange zu sehen war, ist viel passiert. Vom hinteren Bereich steht nur noch ein Stückchen Mauer, die Seitenwand, die den Altbau und das Linde-Haus mal verbunden hat, steht nur noch erdgeschoßhoch. Gerade habe ich zugesehen, wie vom ersten Obergeschoß die Ecke abgebrochen wurde. Ca. fünf Meter in das Gebäude rein steht nur noch die Schaufensterfront im Fußwegbereich, dahinter riesige Berge Schutt. Ich schätze, wenn ich am Montag wieder ins Büro komme, stehen von diesem Anbau nur noch Fragmente.

Am Linde-Haus wird gerade über den Ausgrabungen die Rampe abgetragen. Im ehemaligen DVB-Kundenzentrum wuseln Bagger rum, zerren die letzten Teile der Inneneinrichtung heraus und reißen Zwischenwände ein. Ich habe letzte Woche mit einem der „Maulwürfe“ geschwatzt; an 2-3 Stellen dürfen sie noch graben, dann ist Schluß. Auf der ehem. Scheffelstraße steht noch ein altes Trafohaus, das noch abgerissen wird, darunter hoffen sie noch etwas zu finden. Ansonsten kaum spektakuläres; zu DDR-Zeiten wurde schonmal 4-5 Meter tief ausgegraben, ohne archäologische Belange zu beachten. An diesen Stellen findet man heutzutage auch nichts mehr, da die Grabungstiefen für diese Erkundungen vor Neubebauung auch festgelegt sind.

Vielleicht buddelt ja in 30..40 Jahren jemand tiefer und findet dann etwas Großartiges unter diesen Gemäuern.