Hallo?

Gestern, auf meinem Heimweg. Ich stehe an der Sammelhaltestelle am Postplatz rum, meine Tram kommt in zwei Minuten, ich hänge meinen Gedanken nach. Da kommt so ein Südländer auf mich zu, nachdem er schon eine Weile um mich rumgeschlichen ist, und fragt, ob ich Englisch spräche und wüsste, wo ein griechisches Restaurant sei. Der Typ nuschelt wie die Sau, so dass ich zweimal nachfragen muss, was er eigentlich von mir will.

Ich erkläre ihm recht kurz, daß ich hier im Umkreis keins kenne. Sorry, Junge, kannsch Dir net helfen. Und dann fragt der Mensch doch glatt, ob wir Freunde werden könnten! Ich würde so toll Englisch sprechen und er kenne hier keinen. Ich gebe ihm noch schnell ein paar Tips, wo er ein Restaurant finden könne, ignoriere dabei sein Geplapper voll und ganz.

Und der Typ fragt doch glatt nochmal! Nach dem zweiten Nein und seinem Bettelblick blieb nur noch die Notlüge – mein (nicht existenter) Freund hätte sicher was dagegen, wenn ich meine Freunde von der Straße auflesen würde. Und zum Glück konnte ich dann auch sofort in meine Tram hüpfen.

Ehrlich mal, die Anmachen waren auch schon mal besser. Tse.

Lesung Ulla Meinecke, Dresden, Haus des Buches

Zehn vor 8 Uhr abends und es sind noch einige Plätze in der Mitte frei. Doch nicht so voll hier, wie ich dachte. Autorenlesung im Haus des Buches, Ulla Meinecke liest aus ihrem letzten „Sachbuch“.

Das Publikum ist sehr gemischt, einige junge Leute, viele 40irgendwas, einige wenige, die noch älter sind, sich bereits mit Krücken durch die Reihen bewegen. Was machen die alle hier? Es wird gequatscht, bei einigen aus der Krückenfraktion sehe ich Internetausdrucke mit Songtexten und der Vita der Lesenden. Prosecco, Bier, Rot- und Weißwein, Schnittchen werden konsumiert, kaum jemand mit alkoholfreien Getränken. Neben mir eine Gruppe Mittvierzigerinnen, die sich u.a. über Schulprobleme der Kinder, den nächsten Geburtstag des Gatten/ Lebensgefährten und den damit verbundenen Restaurantbesuch sowie das letztjährige „Konzert“ der Pet Shop Boys in der Stadt auslassen. Konzert? Wissen die etwas, das ich nicht weiß? Ah, es geht um die Battleship-Aufführung. Kopfschüttelnd versuche ich die schnatternden Weiber zu überhören; mich hat schon im vergangenen Jahr verärgert, dass mindestens die Hälfte der sich am Ende beschwerenden Besucher der Aufführung völlig ignoriert hatte, daß das eben kein Popkonzert war. Der Abend verspricht lustig zu werden.

Licht aus, Musik aus, das Grundrauschen ebbt jedoch nicht wirklich ab. Es ist doch noch sehr voll geworden, kaum mehr ein freier Stuhl. Der etwas gehetzt wirkende Geschäftsführer bittet die Zuhörer um das Ausschalten der Handys, aber niemand rührt sich. Kein hektisches Suchen in vollen Taschen, es sieht nach einem disziplinierten Völkchen aus. Auch die letzten Säumigen finden irgendwann zu ihren Plätzen, dann kann’s losgehen.

Über die Lesung selbst schreibe ich an anderer Stelle weiter. Hier geht es nur um die Randfiguren.

Es wird gehustet, geräuspert, geschwatzt, in Bonbontüten geraschelt, Glas schlägt an Porzellan und nach 10 Minuten beginnt die Schnatterente drei Plätze weiter SMS zu schreiben. Irgendwann beginnt jemand, seine Digitalkamera einzustellen; das Piepsen der Systemtöne ist laut und deutlich. Frau Meinecke ist inmitten ihrer Geschichten und läßt sich nichts anmerken. Nach ca. 15 Minuten bin ich genervt von der Unhöflichkeit und Disziplinlosigkeit um mich herum und fühle mich an schlecht erzogene Gören im Kino erinnert. Welcher Film läuft hier eigentlich? Das Publikum bei der Handelsblattlesung war wesentlich jünger, aber aufmerksamer und vor allem interessierter.

Nach der Lesung noch Signierstunde, doch nur ein knappes Drittel der Zuhörerschaft möchte die eigenhändige Unterschrift der Autorin in das Buch. Der Rest der Meute verflüchtigt sich auf wundersame Weise und wird später verteilt im Haus des Buches wieder aufzufinden sein. Im Hinausgehen sehe ich leere Biergläser, achtlos auf Regalen und Büchern abgestellt, Glas klirrt, als eine Frau mit ihrer Jacke eines der Gläser von einem Bücherregal herunterkehrt und die Scherben einfach liegenläßt. Ich fasse es nicht, wie ignorant manche Menschen sind. Wer so mit gedruckten Schätzen umgeht, ist ihrer nicht wert.

So interessant ein Buch künftig sein mag, aber eine Autorenlesung in diesem Haus – nö, nie wieder.

Auf Fototour

Eigentlich sollte ich darüber nichts schreiben, denn was ich heute angestellt habe, ist grenzwertig und bewegte sich für über eine Stunde jenseits der Legalität.

Meine erste fotografische Tour durch ein Abrisshaus liegt hinter mir. Aufregend, spannend, faszinierend und wehmütig, weil ich mich mit zwei anderen in dem Haus herumgetrieben habe, von dem ich in meinem letzten Beitrag geschrieben habe. Berge von Schutt, Relikte, lose Kabel, riesige Wasserpfützen und abgebaute Rolltreppen.

Wir haben die Baustelle durch einen ungesicherten Zaun betreten (böse, böse Abrissfirma!) und uns vorsichtig durch die Etagen bewegt. Nach knapp 10 Minuten konnten wir feststellen, daß wir nicht die einzigen Faszinierten waren, denn im Erdgeschoss kam uns schnellen Schrittes ein junger Mann entgegen, Rucksack und Stativ auf den Rücken geschnallt. Er sagte uns, daß man bis auf das Dach hinaus könne und wir sollten uns nicht erschrecken, sein Kollege sei noch oben unterwegs. Den trafen wir einige Zeit später dann auch – in der Küche des ehemaligen Restaurants.

Ich bin mir noch nicht sicher, wann und wo ich Bilder aus dem Inneren veröffentliche. Wahrscheinlich, wenn das neue Gebäude fertig ist oder so. Auf jeden Fall gibt es ein Fazit – beklemmend war allein die Tatsache, daß dieses Gebäude jetzt tatsächlich verschwindet.

Abriss altes Centrum-Warenhaus

Stahl kreischt auf Stahl, als die Zange des Abrissbaggers zum wiederholten Mal nach den Stäben im Beton greift und daran zieht. Motoren heulen, Wolken dichten Staubs ziehen über die Einkaufsstraße, es stinkt nach Asbest. Immer wieder bleiben Passanten am Bauzaun stehen, einige klettern auf Sitzbänke, die sie vorher in film- und fotostrategisch günstige Positionen gezerrt haben. Der Abriss des alten Centrum-Warenhauses ist ein Spektakel.

Stück für Stück fressen sich die Bagger in die Fassade, nichts soll bleiben, wenig erinnern. Nur ein kleiner Teil der alten Aluminiumverkleidung wurde abgebaut, damit er beim Neubau als Bruchstück wieder auferstehen kann. Der Rest, der diesen Bau geprägt und ihm seine Einzigartigkeit verliehen hat, liegt in großen Bergen als Schrott über den Abrißplatz verteilt. Man sieht den Waben schmerzhaft an, wie und womit sie aus ihren Verankerungen und Befestigungen gerissen wurden.

Neubauen um jeden Preis heisst es in dieser Stadt. Dabei orientiert man sich zu gern an der Bebauung, die vor der kompletten Zerstörung der Innenstadt das Bild geprägt hat. Zwischen Damals und Jetzt liegen mehr als 60 Jahre, die diese Stadt verändert und ihr ein eigenes Bild ihrer Zeit verliehen haben. Alles nicht wahr, es soll nie dagewesen sein.

Diejenigen, die Bau, Eröffnung und Einkaufen in diesem Haus erlebt haben, erinnern sich grösstenteils gern. Es war ein markanter Punkt in der Innenstadt, zu dem man Gäste führte und der bestaunt wurde, dessen Metallfelder in der Sonne gleissten.

Ein Stück DDR-Architektur verschwindet für immer und macht einem neuen Konsumtempel Platz, der in Kürze an dieser Stelle entstehen wird. Größer, kaufrauschfördernd, mit benachbarten Einkaufsgalerien konkurrierend. Welche Zielgruppe damit erreicht werden soll, erschliesst sich mir nicht.  Soviel Geld kann nicht mal ich verdienen, um es in all den Einkaufsstraßen, Shoppingmalls und -parks ausgeben zu können.

Schade um ein weiteres Stück auch meiner Geschichte, das auf alle Zeiten dahingehen wird.