Versuch einer Liebeserklärung

Es war die bisher teuerste Konzertkarte, die ich mir für den gestrigen Abend geleistet habe, sie war allerdings jeden einzelnen verdammten Cent mehr als wert. Es war aber auch einer meiner langgehegtesten Wünsche, Tina Turner einmal live auf der Bühne erleben zu können. Als sie vor acht Jahren auf Abschiedstournee ging, konnte ich ihre Entscheidung nachvollziehen (sie war schließlich schon über 60), fand es aber schade, daß ich damals nicht das Glück hatte, eins ihrer Konzerte erleben zu können. Im Frühjahr letzten Jahres hieß es, sie tourt wieder und sie kommt auch nach Deutschland. Was lag näher, als eins der heiß begehrten Tickets zu ergattern. Schließlich ist Tina Turner einer der wenigen Menschen, die ich für ihre Stärke und Kraft bewundere.

Die O2 World in Berlin ist riesig und bis 5 vor 8 sah es nicht so aus, als wäre die Halle ausverkauft, überall noch freie Plätze. Wer läßt sich denn sowas entgehen? Und wieso ist sogar der Innenraum komplett bestuhlt? Beim Soundcheck kurz nach 8 fällt für einen Moment die Anlage nochmal komplett aus, die flinken Helferlein, die überall rumrennen, haben das Problem aber sehr schnell wieder im Griff. Ich habe schon bei meiner Ankunft gesehen, daß die Dame nicht mit „kleinem Gepäck“ reist. Überall an der Straße stehen Miet-Lkw. Mit 15-minüter Verspätung beginnt dann das Spektakel beinahe übergangslos, weil in das aus der Konserve gespielte Lied erst die Band und dann Tina mit Gesang einsteigt. Sehr schlau in Szene gesetzt.

Sie legt los. Nicht leiser oder langsamer, wie man es in ihrem Alter von anderen erwarten würde und wie ich es vergangene Woche in einigen Zeitungen gelesen habe, sondern volle Leistung. Sie springt über die Bühne, rennt, tanzt, singt mit Inbrunst. Die fast 70 sieht man ihr auf den Leinwänden schon an, aber man merkt davon nichts, wenn man ihre Show erlebt. Sie ist immer noch schlank, drahtig fast, springt mit den extrem hochhackigen Schuhen in ihrer unverkennbaren Art über die Bühne. Und die Stimme, die STIMME! Was für eine Kraft…

Tina bringt zunächst vier Songs am Stück, begrüßt die Halle, und singt zwei weitere Hits, bevor sie zum ersten Mal verschwindet für den Kostümwechsel. Diese Zeiten werden überbrückt von Showeinlagen, die zum einen im nächsten Song aufgehen, auch um ihr mehr Zeit zu geben, ein wenig Luft zu holen. Die Show ist gut choreopraphiert, sie überläßt nichts dem Zufall. Sie spielt mit dem Publikum, das sie von der ersten Sekunde hat, bezieht es mit ein, animiert zum Mitsingen. Die Songs, die mir beim bloßen Hören schon immer Gänsehaut beschert haben, treiben mir jetzt Tränen in die Augen. Das ist mir auch noch nie passiert, ich stehe auf einem Rockkonzert und heule.

Ganz groß ist ihr Auftritt als Aunt Entity aus „Mad Max III“, sie singt „We don’t need another hero“ im Originalkostüm des Films. Die Tänzer sind ebenfalls gekleidet wie die Kids, auf der Bühnenleinwand flimmern Filmszenen. Die Plattform, mit der sie zu Beginn auf die Bühne kam, bringt sie oben auf das Gerüst, das die Donnerkuppel darstellt, sie wirkt winzig neben dem schwarzen Riesen, der hinter ihr steht, aber die Stimme straft wie immer alle Äußerlichkeiten. Der Song endet mit einem Feuerwerk, dann ist Pause für 30 Minuten.

Dreißig Minuten später ist es 20 vor 10, der zweite Teil beginnt leiser, zuerst mit „I don’t wanna fight“ und einer Diashow aus 50 Jahren Bühne, dann sitzt Tina mit den Musikern und Backgroundsängerinnen auf Barhockern und bringt einige der älteren Bluesnummern in ruhigeren, getragenen Arrangements. Es dauert natürlich nicht lange, dann „zappelt“ sie mit ihren Tänzerinnen zu „Private Dancer“ wieder auf der Bühne herum. Sie wechselt erneut die Garderobe, die Tänzer sind dran, dann gibts mit riesigem Getöse „Goldeneye“. Und anschließend wieder „Kostümwechsel“, das lange Kleid zu „Goldeneye“ ist nur ein Umhang, der eins der für sie typischen kurzen Glitzerkleidchen verdeckt.

Sie legt nochmal los, bei „The Best“ singt sie gegen die 12.000 in der Halle an, die lautstark mitsingen. Sie verabschiedet sich anschließend mit tiefen Verbeugungen nach allen Seiten der Halle. Sie stellt ihre Crew vor, jeden Musiker, jeden Tänzer, die beiden Backgroundsängerinnen. Vor allem Lisa Fischer bekommt donnernden Applaus, sie hat eine blendende Soloeinlage geliefert und steht Tina stimmlich in nichts nach. Tina geht und kommt wieder, noch einmal umkostümiert in weißem Rüschenhemd und schwarzer Hose. Zu „Nutbush City Limits“ steht sie auf einem riesigen Ausleger und singt mit der Halle den Refrain. Sie turnt auf diesem schmalen Steg herum, als wäre es nichts. Gegen 11 endet das Konzert mit donnerndem Applaus und einer glücklichen mona_lisa, die dabei sein durfte.

Love you, Tina. And there is nothing more to say.

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